09.09.2024 | Das rasend schnelle Slow Cinema von Rose Lowder

Hommage | Rose Lowder

Seit Ende der 70er Jahre ist die in Peru geborene Rose Lowder als Kuratorin von Filmprogrammen, Universitätsdozentin, Co-Gründerin der Archives du film expérimental d’Avignon, Buchautorin und Filmemacherin in Frankreich tätig. Ihre eigenen, ausschließlich auf 16mm realisierten Arbeiten – mal stumm, mal mit Ton oder Musik – bestechen vor allem durch eine faszinierende Auseinandersetzung mit den Bewegungen, Formen, Farben und Strukturen der Pflanzen- und Tierwelt, aber auch durch die Erkundungen der Möglichkeiten von physischer Materialbearbeitung, Montagetechniken, Schärfen, Licht und Raum.

Wir zeigen eine Auswahl ihres Werks, die dabei nicht der Logik der chronologischen Abhandlung folgt, sondern ein dialogisches Aufeinander-Bezug-Nehmen intendiert. Exemplarische Beispiele ihres Schaffens werden im Programm in rhythmisch-sensuelle sowie thematische Beziehungen gesetzt. Der avantgardistischen Idee eines neuen Sehens und Erfahrens verschrieben, lassen sich in PARCELLE frühe Farb- und Bewegungsmusterexperimente bestaunen, die dann wesentlichen Einfluss auf die fortlaufende Reihe BOUQUETS haben, die in jeweils einminütigen Fragmenten Blumenwiesen, Menschen, Tiere und Objekte miteinander in einen rasenden Bilderrausch katapultieren. Die enorm hohe Schnittfrequenz, die Mehrfachbelichtungen und die teils ungewöhnlichen Kameraperspektiven und Kompositionen erschaffen mit den Mitteln der Filmkunst neue Welten, die seltsam losgelöst und doch poetisch verbunden sind mit den uns bekannten Parametern. So bekommen Objekte immer wieder neue Bedeutungen: Windsurfer werden zu Schmetterlingen oder Gräser zu menschlichem Haar. 

In BEIJING 1988 wird dann die Stadtlandschaft Pekings kurz vor den Tian’anmen-Protesten, mit ihren Fahnen, Fahrrädern und Tai-Chi-Figuren zur sprudelnden Inspirationsfläche. RUE DES TEINTURIERS schließlich lässt Frame für Frame die titelgebende Straße hinter einer Balkonpflanze tanzen und entwickelt einen hypnotischen Sog jenseits von bekannten Bedeutungsfeldern. Ein Raum der unmittelbaren Erfahrung entsteht. Ein ultra langsames Kino der gesteigerten Geschwindigkeit und der gesteigerten Sinne, das der Sinngebungsmaschine im Kopf – Schnitt für Schnitt – die eingefahrenen Verbindungslinien zersägt. Zum Abschluss des Programms folgt LA SOURCE DE LA LOIRE dem Lauf der Loire von ihrer Quelle hinab und trennt Bild- und Tonebene voneinander. Erst schwelgen wir im elegischen Sonnenlicht, dann entlässt uns der Film ins gänzlich schwarze Bild. Wir hören die nachgereichten Geräusche des eben Gesehenen, während der Fluss vor dem inneren Augen weiterströmt, zerläuft und neu zusammenfließt.

PARCELLE

FR 1979, silent, 3′, 16mm

BOUQUETS 6-10

FR 1994-1995, silent, 5′, 16mm

BOUQUETS 28-30

FR 2005, silent, 4′, 16mm

BEIJING 1988

FR 1988-2011, sound, 12′, 16mm

RUE DES TEINTURIERS

FR 1979, silent, 31′, 16mm

LA SOURCE DE LA LOIRE

FR 2019-2021, sound, 19′, 16mm

Mo 9. SeptUT Connewitz
19:00 UhrIn Anwesenheit von Rose Lowder
€ 7 (6 ermäßigt)