13/14.09.24 | PISSE vertonen BIJOU
Vertonung | Pisse

It’s about to get sleazy. In seinem Klassiker des all male-adult films erzählt Wakefield Poole die Erlebnisse eines als „straight“ markierten Bauarbeiters und dessen Reise in unbekannte Sehnsüchte. Wir folgen dem mit Oberlippenbart, Flanellhemd und Schutzhelm ausgestatteten Namenlosen nach seiner Schicht auf dem Nachhauseweg durch die Straßen New Yorks. An einer Straßenecke wird eine Frau von einem Auto angefahren – dabei fliegt ihm ihre Handtasche vor die Füße. Er schnappt sich die Tasche, in der er zu Hause neben einem Lippenstift – erster und bei weitem nicht letzter Phallus der Geschichte – eine Einladung in den Club Bijou findet, der er ohne Weiteres nachkommt. Bei seinem Besuch trägt er unter seiner Denim keine Unterwäsche. Was folgt ist eine dichte Abfolge aus Fleisch und Farbe: sex driven surrealism, bei dem unser Protagonist allerdings weniger als aktiver Teilnehmer in Erscheinung tritt, sondern als zurückhaltende, womöglich schuldbeladene, Nebenfigur.
BIJOU
US 1972, D: Wakefield Poole, A: Bill Harrison, Robert Lewis, Peter Fisk, Cassandra Heart, 75’, no dialogue/projected silently, DCP




Trotz geringen Produktionsbudgets – die Clubszenen wurden innerhalb von vier Tagen in der Wohnung des Regisseurs gedreht – zieht Poole, der neben der Regie als Kameramann und Cutter tätig war, auf visueller Ebene alle Register: Split-Screens und mehrfache Bildüberlagerungen vermitteln den Zuschauenden die Gedankenwelt des Protagonisten. Hinzu kommen Spiegelkabinette und ein höchst expressiver Einsatz von Farbe und Licht, während das räumliche Setting aufs Wesentliche beschränkt bleibt. BIJOU stellt trotz all der geballten „Man on Man Action“ einen höchst avantgardistischen Beitrag zur Gay Erotica dar – für Heteros der perfekte Einstieg ins Genre.
Ob Einstieg ins Genre oder nicht: zusätzlich versüßen wird das Ganze die Post-Punk-Band Pisse. In einer Auftragsarbeit des GEGENkinos widmet sie sich einer Neuvertonung von BIJOU. Ähnlich wie den Bauarbeiter des Films umweht Pisse seit ihrer Gründung vor über zehn Jahren eine Aura des Mysteriösen und der Unnahbarkeit. Die Mitglieder der Band aus Sachsen, die mittlerweile deutschland- und sogar weltweit Bekanntheit erlangt hat, streuen bewusst unzuverlässige Informationen über sich. Sie verweigern sich konsequent dem kommerziellen Musikbetrieb, stellen ihre Alben neben der Veröffentlichung in Vinyleditionen stets begleitend als Downloads zur Verfügung, bei denen man den Preis, den man dafür bezahlt, selbst bestimmen kann. Die Tageszeitung taz vergleicht Pisse mit dem sarkastischen Punk der frühen Goldenen Zitronen. Auch Kritiker:innen anderer Musik-Magazine begeistern sich für ihren Sound: Der Musikexpress wählte das Album „Mit Schinken durch die Menopause“ 2023 zu den 50 besten Punkalben aller Zeiten.
Wir dürfen gespannt sein, wie die Band, deren Instrumentierung mit einem Theremin bereits für eine Punkband eher ungewöhnlich ist, mit den Bilderreigen von BIJOU umgeht: ob sie sich an der Struktur des originalen Filmscores – beschwörend-atmosphärische Kompositionen und Loops von Gustav Holst und Alan Hovhaness, die durch eine Prise Led Zeppelin unterbrochen wird – orientieren. Ob sie eventuell Textfragmente oder Sprachfetzen einarbeiten, da ja die Pisse-Texte ihresgleichen suchen und es ja fast schade ist ohne. Ob sie vielleicht mehr Gewicht auf Synthesizer und Theremin legen. Oder ob sie mit Samples und Elektronik arbeiten. Wir wissen es nicht. Ulrich Gutmair schreibt ebenfalls in der taz über die Band: „Bei aller Räudigkeit sind Pisse mit den Wassern der Avantgarde gewaschen.“ Soweit also Gutmair. Der offizielle Promo-Text der Band dagegen verlautbart: „Gepeitscht vom Ekel spielen Pisse niedrige Musik für ein ehrloses Publikum.“ Wir freuen uns auf ästhetische Reibungsmomente zwischen Bild und Sound. Es wird ein Fest.
Fr 13. Sept | UT Connewitz |
20:00 Uhr | Mit einer Einführung von Marco Siedelmann € 15 |
Fr 13. Sept | UT Connewitz |
20:00 Uhr | Zusatzshow € 15 |