19.09.2025 | Aufruhr der Körper von Annette Brauerhoch
ARCHIVE | Feministische Gegengeschichten
DIE URSZENE
DE 1981, R: Noll Brinkmann, 7’, 16mm
VIVA AVIS


DE 1985, R: Lilo Mangelsdorff, 6’, 16mm
BETWEEN





DE 1989, R: Claudia Schillinger, 9’, 16mm
DUSCHEN, SAN FRANCISCO
DE 1994, R: Anja Czioska, 3’, 16mm
DACH, SAN FRANCISCO



DE 1994, R: Anja Czioska, 3’, 16mm
LES MISERABLES
AT 1987, R: Mara Mattuschka, 2’, 16mm
CEROLAX II
AU 1985, R: Mara Mattuschka, 3’, 16mm
WENN DER HAARWUCHS LÄSTIG WIRD


DE 1987, R: Anja Telscher, 7’, 16mm
COMPARTMENT


DE 1990, R: Eva Heldmann, 5’, 16mm
THE COLOR OF LOVE
US 1994, R: Peggy Ahwesh, 10’, 16mm
ONE PUSSY SHOW

DE 1996, R: Anja Czioska, 6’, 16mm
Im Archiv für den bundesdeutschen Experimentalfilm von Frauen der Universität Paderborn befinden sich 50 analoge 16mm Filmkopien von Filmemacherinnen Deutschlands und Österreichs vor allem aus den 1980er Jahren: eine Zeit ohne Heimcomputer oder Mobiltelefon. Es war eine produktionsintensive, lebendige Phase der Auseinandersetzung mit filmischen Konventionen und Klassikern der Avantgarde an den (meist männlich dominierten) Filmklassen der Film- und Kunsthochschulen zum Beispiel in Hamburg und Braunschweig sowie am Städel in Frankfurt am Main. Die Sammlung ist ein Projekt zu dem die beteiligten Filmemacherinnen solidarisch beigetragen haben. Sie spiegelt meinen Wunsch, einem in den 2000er Jahren im Aufbau begriffenen Institut für Medienwissenschaften nicht nur etwas hinzuzufügen, sondern darüber hinaus sogenannten „Medien“ und „Digitalität“ bewusst etwas entgegen zu setzen: Film in seiner konkreten Materialität, Filmformen jenseits von Narration und Dokument und: feministische (Körper)energie. Es ging um „andere“ Filme in einer Umgebung, in der sie zunächst fremd waren, aber ein studentisches Publikum fanden, das mit ihnen neue Seherfahrungen machte. Nach meiner Emeritierung von der Universität 2021 wird die Sammlung demnächst unter anderem Namen (Experimentalfilmsammlung Brauerhoch) ein neues Zuhause bei der Kinothek Asta Nielsen finden – und hoffentlich immer wieder das Licht der Projektion.
Im Kino geht es wie in keinem anderen Medium um den Körper und den Blick. Die feministische Filmtheorie hat früh festgestellt, dass den Geschlechtern dabei unterschiedliche Rollen zufallen, die mit Macht und Raum zu tun haben. Im Programm vom Aufruhr der Körper findet mit einem Fokus auf weibliche Blicke wie Körper eine zielgerichtete Auseinandersetzung mit den Schaulüsten im Kino statt. DIE URSZENE greift ironisch Freuds Theorie vom Ursprung der Schaulust auf und verweigert dabei konsequent den im Kino damit gängigerweise verbundenen Voyeurismus im Blick auf den weiblichen Körper oder den Sexualakt. An dessen Stelle tritt die voyeuristische Neugier der Filmemacherin, die haptische Lust der Kamerabewegungen und die Phantasietätigkeit der Zuschauer:innen. In den Filmen von Anja Czioska und Claudia Schillinger richtet sich Schaulust auf den eigenen Körper. Czioska führt auf ungemein witzige Weise eine Standardsituation des Voyeurismus im Kino – eine Frau duscht – ad absurdum und widmet sich in DACH, SAN FRANCISCO lustvoll wilden, raumgreifenden Bewegungen, die ein rebellisches Bündnis mit dem Körper des Films eingehen. Dem normierten und normierenden Blick des Mainstream-(Hollywood-)Kinos setzt Claudia Schillinger in BETWEEN einen selbstbewussten Exhibitionismus und provokanten Blick ins Publikum entgegen. Lilo Mangelsdorff und Anja Telscher führen Repression vor, die mit Schönheitsidealen und medialen Vorschriften einhergehen, Mara Mattuschka treibt die Vorschriften auf die Spitze und entmachtet sie in aufmüpfigen Animationen. Die Filme des Programms inszenieren Leidenschaften, brechen Tabus und gestalten die Bilder, die von Frauen und ihren Körpern in bestimmten Genres gemacht werden neu, wie etwa in THE COLOR OF LOVE und COMPARTMENT.
Spielt sich im ersten Film des Programms (DIE URSZENE) der Aufruhr der Körper vor allem in der Phantasie der Zuschauer:innen ab, findet er im letzten (ONE PUSSY SHOW) dagegen eine ausgesprochen lebendige und lustvolle Inszenierung. Alle Filme frönen auf ihre sehr eigene und vom Mainstream unterschiedene Weise der Schaulust.
Fr 19.09 2025 | Luru Kino in der Spinnerei |
18:00 Uhr | € 7,50 (6,50 ermäßigt) In Anwesenheit von Annette Brauerhoch |