Alright, as promised, we will now start with the unveiling of this year’s GEGENkino programme… and we kick off with something big!
One part of our 2017 programme will be an extensive hommage to the still too under-appreciated Finnish artist and filmmaker MIKA TAANILA. For the occasion of this hommage, which will feature a wide and varied selection of his works, Mika Taanila will personally come to our festival and will bring with him the Finnish psych rock outfit CIRCLE for their first show in Germany in over six years and for the German premiere of their collaborative SSEENNSSEESS performance, which will combine a live show by the PHARAOH OVERLORD offspring and a triple 16mm projection by Taanila. Instead of an opening band, we will show the film HERMAFRODIITIT feat. music and footage of Taanila’s former post-punk band SWISSAIR. Read about the interesting history of this film and Taanila early post-punk endeavours over at N&B RESEARCH DIGEST, and find out more about the event below or at the FB event page.
15 April 2017, 9pm – UT Connewitz
Hommage an Mika Taanila
Der 1965 geborene Finne Mika Taanila bewegt sich souverän und ungezwungen zwischen klassischem Dokumentarfilm, experimenteller Videokunst, Avantgarde, performativen Installationen und musikalischen Projekten. Mit Hilfe unterschiedlicher ästhetischer Zugänge und Strategien behandelt Taanila (nichteingelöste) Zukunftsversprechen, technologische Evolutionen und Human Engineering. Dabei geht es immer auch um die Begleitgeräusche, die diese Phänomene flankieren. So zum Beispiel im kurzen Stück Optical Sound, das die mechanischen Klänge eines ausrangierten Vierundzwanzig-Nadel-Druckers zur umwerfenden Techno-Sinfonie verdichtet – ein in seiner Widerborstigkeit perfekter Soundtrack für die Sehnsucht nach der schwerelosen Welt der Daten.
Taanilas Arbeitsweise wollen wir in der dreitägigen Hommage genauso nachgehen wie den utopischen Revisionen, die seine Filme erzählen, ob in Form eines biografischen Porträts des Atomphysiker-Elektronikinstrumentenbauer-Komponisten-Filmemacher-Programmierer-Künstlers Erkki Kurenniemi, ob als gelassener Kommentar der stolprigen Mensch-Maschinen-Begegnung beim RoboCup-Turnier oder als optimistische Vermessung des elliptischen Futuro-Hauses und seiner genauso wechselreichen Geschichte als Prototyp eines modernen, massenproduzierten Plastikwohnhauses. Was diese, doch sehr unterschiedlichen Werke eint, ist das Thema des Verschwindens, Verwerfens, Vergessens, Vergessen machens. Stellvertretend hierfür steht A Physical Ring, dessen Found-Footage-Materialien von einem Laborversuch stammen, von dem niemand mehr weiß, welche Erkenntnisse er eigentlich zu Tage bringen sollte.
Über Mika Taanila
Mika Taanila (*1965) studierte Anthropologie an der University of Helsinki und erhielt ein Diplom in Design von der Lathi University of Applied Science. Taanilas Filme und Installationen wurden unter anderem auf Filmfestivals in Toronto und Rotterdam sowie auf internationalen Biennalen gezeigt. 2014 kuratierte er für die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen die Programmsektion „Film without Film“. Im Mai 2015 wurde er mit dem finnischen Ars Fennica Award ausgezeichnet.
Infos zur Veranstaltung
Deutschlandpremiere | Circle & Mika Taanila — SSEENNSSEESS
FIN 2013, 50’, ohne Dialog, Live-Musik von Circle, 2 x 16mm, 1 x File
Vorfilm: Swissair | Hermafrodiitit
FIN 1986, 22’, OmU, 2 x File
Auf einzigartige Weise verbinden die finnischen Experimental-Rockband Circle und Mika Taanila Musik und Film zu einem sinnlich, visuellen Live-Erlebnis. Angesiedelt zwischen Rock-Oper und theatraler audiovisueller Performance kombiniert die spektakuläre Show glitzernden Glamrock, improvisierten Krautrock und Chanson-Metal mit perfekt getakteten 16mm-Projektionen des Filmkünstlers. Neben ihrer musikalischen Bandbreite sind Circle vor allem für ihre zappaesken Performances bekannt: Lederuniformen stehen neben Spandexhöschen, minutiös getimte Bühnenchoreografien präsentieren Popikonogafie, Stargestus und Rockerpose als Abziehbildchen und Schablone. In SSEENNSSEESS bespielt Mika Taanila mit vier 16mm-Projektoren und einem Videobeam ein Triptychon aus drei Leinwänden. Die bewegten Bilder der Loops entstammen Wissenschaftsfilmen der frühen 1950er-Jahre, die in der Universität Helsinki entstanden sind und die Taanila bearbeitet und verfremdet hat. Verbranntes Land ist eine melancholische Ode an das Verschwinden einer vergangenen Technologie im Allgemeinen wie den eines Bildes im Besonderen: zu sehen ist in einer Split-Screen-Komposition, wie ein VHS-Bild beim Reinigen verschwindet, Durchlauf für Durchlauf. Swissair versammelt Super-8-Material, das Taanila für das mit seinem Co Piloten Jari Härkönen ins Leben gerufene gleichnamige Musikprojekt drehte.
15. April, 21 Uhr – UT Connewitz – € 12 VVK / 15 AK
When Things Occur
PS 2016, R: Oraib Toukan, feat. Lara Abu Ramadan, Hosam Salem, Khalil Hamra, Walaa Al Ghussein, Ashraf Al Masri, 28’, OmeU
WHEN THINGS OCCUR basiert auf Skype-Gesprächen mit in Gaza lebenden Fotograf*innen, ihren lokalen Helfer*innen und Fahrer*innen. Die Gesprächpartner*innen zeichnen sich für Bilder verantwortlich, die sich im Sommer 2014 von Screen zu Screen verbreiteten und damit in das kollektive Bildarchiv Einzug fanden. Als Fotoreportage und ohne Bewegtbilder schaut der Film hinter die bildliche Materialisierung von Trauer und Schmerz – betrachtet deren digitale Verkörperung auf den Festplatten der Fotograf*innen und ihre mediale Zirkulation. Er untersucht, wie der Blick im digitalen Raum geleitet wird und wie Empathie überspringt. Neben den Forderungen der Nachrichtenagenturen nach aufsehenerregenden Bildwerten wirft der Film weitere ethische Fragen auf, etwa nach der Funktionsweise des dokumentarischen Signifikants beim Betrachten von Leid. Was genau bedeutet es, Leid „aus der Distanz“ zu betrachten – wie viele Meter oder Kilometer Abstand sind dazu nötig? Wie sieht das Verhalten und die politische Ökonomie von Bildern des Kriegs aus? Wer ist „der Einheimische“ in der Repräsentation des Kriegs? Und worin besteht die tägliche Routine derer, die den Krieg zeigen?
IN THE FUTURE THEY ATE FROM THE FINEST PORCELAIN
PS/DK/GB 2016, R: Larissa Sansour/Søren Lind, feat. Pooneh Hajimohammadi, Anna Aldridge, Leyla Ertosun, Larissa Sansour, 29’, OmeU
Der Film erzählt – wie vom zeitlichen Twist im Titel angedeutet – die Geschichte einer Intervention in die zukünftige Wahrnehmung der politischen Geschichte eines Territoriums. Eine selbsternannte „narrative Widerstandsgruppe“ vergräbt feinstes Porzellan, welches von einer komplett erfundenen Zivilisation stammt. Ziel der Gruppe ist die Beeinflussung von Geschichte und das zukünftige Geltendmachen von Ansprüchen auf ihre verschwindenden Gebiete. Ist das Geschirr erst wieder ausgegraben, wird es die Existenz des fiktiven Volkes beweisen. Durch die Kreation eines eigenständigen Mythos wird die Arbeit der Gruppe zu einer historischen Intervention, die de facto eine Nation erschafft. In Form eines fiktionalen Video-Essays werden Bewegtbilder mit computergenerierten Bildern kombiniert, archäologische und politische Aspekte mit Science-Fiction verwoben. Das als Voice-Over inszenierte Gespräch zwischen einer Psychologin und der Gruppenanführerin über Mythos und Fiktion als konstitutive Elemente von Fakten, Geschichte und des Dokumentarischen offenbart die Philosophie hinter den Aktionen der Gruppe.
Selma Doborac – ES WAR EIN TAG WIE JEDER ANDERE IM FRÜHLING ODER SOMMER.
AT/BA 2012, 17’, stumm, englische Sprachfassung
“In ES WAR EIN TAG WIE JEDER ANDERE IM FRÜHLING ODER SOMMER. spürt der Ich-Erzähler in drei kurzen Episoden den Erlebnissen vierer miteinander in Verbindung stehender Personen nach; diese haben sich während eines Bombardements im Zuge des Bosnien-Krieges im Jahr 1992 ereignet. Teils durch die Schilderung einer erinnerten Vergangenheit, die sich in Form eines schriftlichen Abrisses als sequenziell ablaufende Text-Spur im Filmbild vollzieht, indes auch teils durch die Mise-en-Scène der beschriebenen Landschaft im Jetzt, die in permanenten Kamerafahrten versucht das Erzählte am Ort per se in Bilder zu gliedern. Im Widerspiel des Gelesenen zum Gesehenen entsteht eine Versuchsanordnung von Darstellung und wird zwangsläufig zum ungelösten Gesamtbild, wenn die Textebene nicht nur manches Mal die Bildebene hemmt, sondern allmählich auch selbsttätig das Erinnerte überschreibt. Die in Titel gefassten Erinnerungsschichten (de)konstruieren die Nicht-Vermittelbarkeit, die in Fahrten gelegten Landschaftsbilder betiteln und verschenken während dessen die Nicht-Abbildbarkeit von (kriegerischen) Handlungen.” (Selma Doborac)
Stephanie Comilang – LUMAPIT SA AKIN, PARAISO (COME TO ME PARADISE)
CA/HK 2016, feat. Musik von Why Be & Sky H1, 26’, OmeU
In LUMAPIT SA AKIN, PARAISO (COME TO ME PARADISE) verwendet Stephanie Comilang Hong Kong als Kulisse für die vielen Weisen wie philippinische Wanderarbeiterinnen den zentralen Stadtbezirk jeden Sonntag in Besitz nehmen. Der Film wird erzählt aus der Perspektive von Paraiso, einem Geist gespielt von einer Drohne, die von der Einsamkeit spricht, wenn man entwurzelt und an einen neuen Ort versetzt wird. Paraisos Begnadigung kommt, als sie endlich fähig ist mit den Frauen zu interagieren und ihren eigenen dabei Zweck empfindet, nämlich deren Videoblogs, Fotos und Nachrichten zuürck nach Hause zu übermitteln. Der Film ist ein Dokumentarfilm mit einem hervorragenden Soundtrack, der sich mit den enthaltenen Science-Fiction Elementen gegenseitig beeinflusst. „Science-Fiction hat [als Genre] immer diesselben Konzepte–das ist auch ein Grund, warum ich den Film machen wollte. Es geht um Menschen, die von innerhalb der Gesellschaft auf diese Außenseiter schauen, auf die Minderheiten, die sie aufgrund irgendeiner Sache ausschließen. Sie haben Angst vor ihnen. Minderheiten haben üblicherweise eine Macht, die andere nicht haben, und sie werden an die Seite oder nach draußen gedrängt. Diese Thematik lässt sich sehr gut übersetzen in die migrantische Einwander*innenerfahrung.“ (Stephanie Comilang)