20.09.2025 | Im richtigen Leben: Frauen in Filmdokumenten der Staatlichen Filmdokumentation der DDR
ARCHIVE | Feministische Gegengeschichten
Die „Staatliche Filmdokumentation“ (SFD) war eine dem Staatlichen Filmarchiv der DDR unterstellte Produktionsgruppe, die zwischen 1971 und 1986 rund dreihundert „Filmdokumente“ über Leben und Alltag in der DDR herstellte. „Filmdokument“ hieß, es sollten keine Filme entstehen, sondern Aufnahmen und Selbstzeugnisse, die das Leben in einer sozialistischen Gesellschaft so wahrhaftig wie möglich dokumentieren. Das Privileg, ein ungeschöntes Bild der DDR-Realität einfangen zu können, hatte jedoch einen hohen Preis: was die Redakteur:innen der SFD filmten, war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und wurde allein fürs Archiv hergestellt. „Die außergewöhnliche Perspektive eines imaginären Blicks aus der Zukunft auf sich selbst“, wie es Anne Barnert in Filme für die Zukunft – Die Staatliche Filmdokumentation am Filmarchiv der DDR (2015) formuliert hat.
Wie fruchtbar ist diese Hinterlassenschaft heute für eine feministische Archivarbeit? Zunächst der frustrierende Befund, dass die große Mehrheit der Porträtierten und Befragten Männer sind, und dass Frauen oft als Ehefrauen, Witwen oder Mitarbeiterinnen prominenter Männer befragt wurden. Bei genauerem Hinsehen begegnen einem in vielen Aufnahmen aber doch immer wieder Frauen, die ein breites Spektrum möglicher Lebenswege vorstellen und ihre soziale Stellung sehr unterschiedlich reflektieren.
Programm
Ausschnitte (in deutscher OV, ca. 80′) aus:
PROF. DR. HILDE BENJAMIN, GEB. AM 5.2.1902 IN BERNBURG






Staatliche Filmdokumentation, Redaktion: Gerd Barz, DDR 1972-74
Die Juristin Hilde Benjamin gilt als eine der mächtigsten Frauen in der Geschichte der DDR. Von 1953 bis 1967 war sie Justizministerin und damit die weltweit erste Frau in einer solchen Position. Zu ihrem oft als „voller Gegensätze“ bezeichneten Lebenswerk gehörten drakonische Urteile gegen „Staatsfeinde“ und Anhänger der „alten“ Ordnung ebenso wie der lebenslange Einsatz für die Gleichstellung der Frau, der 1965 in einem als äußerst fortschrittlich wahrgenommenen Familiengesetzbuch mündete.
HELMUT KRAATZ, PROF. DR. SC. MED. (GEB. 6.8.1902 IN WITTENBERG)


Staatliche Filmdokumentation, Redaktion: Dieter Harms , DDR 1972
Der Gynäkologe Helmut Kraatz leitete lange die Universitäts-Frauenklinik der Berliner Charité und war hochrangiges Mitglied in verschiedenen gesundheitspolitischen Gremien. Die SFD porträtierte ihn, als er bereits emeritiert war. Kernthema ist das im März 1972 in Kraft getretene, sehr liberale Abtreibungsrecht der DDR.
DOKUMENTE ZUR LEBENSWEISE. WOHNUNGSPROBLEME 1982/83 – DOKUMENT I



Staatliche Filmdokumentation, Redaktion: Gerd Barz, DDR 1982-83
Der Wohnungsmangel in den Städten gehörte zu den notorischen, öffentlich jedoch kaum eingestandenen Problemen der DDR. Die Dysfunktionalität des zentralisierten Zuweisungssystems zwang viele Menschen zu jahrelangen Wartezeiten und mannigfaltigen Behelfslösungen. Das ausgewählte Dokument handelt von zwei alleinerziehenden jungen Müttern, die sich illegal in gesperrte Altbau-Wohnungen in Berlin-Prenzlauer Berg „reingesetzt“ haben.
KLINIKUM BUCH – GESPRÄCHE IN EINER STRAHLENTHERAPEUTISCHEN KLINIK


Staatliche Filmdokumentation, Redaktion: Hans Wintgen, DDR 1984-85
In seiner einzigen Arbeit für die SFD führte der Dokumentarfilmer Hans Wintgen lange und offene Gespräche mit dem größtenteils weiblichen Personal der strahlentherapeutischen Klinik in Berlin-Buch, dem DDR-Zentrum für Krebsbehandlung und Palliativmedizin. Es geht um den Umgang mit Sterbenden, für den Ärzt:innen und Pfleger:innen bislang nur unzureichend ausgebildet wurden.
Im Gespräch zwischen den Filmausschnitten: die Filmwissenschaftlerinnen Anne Barnert (Jena) und Borjana Gaković (Berlin). Auswahl und Moderation: Tobias Hering (Berlin)
Sa 20 Sept 2025 | UT Connewitz |
20:00 Uhr | € 7,50 (6,50 ermäßigt) |