21.09.2025 | Hertha Thiele – Liebe als Opposition, Opposition als Liebe

ARCHIVE | Feministische Gegengeschichten

MÄDCHEN IN UNIFORM

DE 1931, R: Leontine Sagan, D: Emilia Unda, Dorothea Wieck, Hertha Thiele, 96′, dt. OV, DCP

Gespräch mit Heide Schlüpmann & Karola Gramann

In der Filmgeschichtsschreibung wird der Name Hertha Thiele vor allem mit zwei Filmen in Verbindung gebracht:  KUHLE WAMPE (DE 1932, R: Slatan Dudow, Drehbuch: Bertolt Brecht) und  MÄDCHEN IN UNIFORM (DE 1931, R: Leontine Sagan, Drehbuch: Christa Winsloe). In Letzterem spielt die junge Darstellerin mit der „spröden, halb zerbrochenen Stimme“ (Zeitgenossin und Filmkritikerin Lotte Eisner) die Figur der sensiblen Aristokratentochter und Vollwaise Manuela von Meinhardis, die in ein preußisches Mädcheninternat kommt. Erziehungsideal der Oberin: „Soldatentöchter zu Soldatenmüttern!“. Manuelas einziger Fluchtpunk im von Drill und mangelnder menschlicher Nähe geprägten Alltag ist die Lehrerin Fräulein von Bernburg, die sich der Rigorosität der Oberin widersetzt. Als Manuela Fräulein von Bernburg öffentlich ihre Liebe gesteht, kommt es zum Eklat. Während die Oberin Fräulein von Bernburg für den vermeintlichen Sittenverfall verantwortlich machen will und Manuela zur moralischen Gefahr erklärt, droht diese an ihrer Verzweiflung zu Grunde zu gehen.

Anlässlich unseres Themenschwerpunkts (HERAUS) AUS DEM ARCHIV: FEMINISTISCHE GEGENGESCHICHTEN wollen wir gemeinsam mit den beiden Filmwissenschaftlerinnen und -kuratorinnen Karola Gramann und Heide Schlüpmann über den Film sowie seine Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte ins Gespräch kommen. Besondere Aufmerksamkeit soll dabei die mehrfach gebrochene Biografie Hertha Thieles (*1908 in Leipzig, †1984 in Ost-Berlin) finden, die von Schlüpman und Gramann detailliert erforscht wurde, unter anderem während eines ausführlichen Interviews, das Anfang der 1980er Jahre stattfand. 

Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wurde MÄDCHEN IN UNIFORM vor allem als Kritik preußischer Erziehungsmethoden und als Coming-of-Age-Story gelesen. Wegen der weiten Gefühlsskala des Films und wegen Thieles darstellerischer Leistungen avancierte er zum Publikumserfolg – europaweit, in den USA und Japan. Erst später – nachdem der Film Ende der 1970er Jahre wieder öffentlich zugänglich war – avancierte er nicht nur zum lesbischen Kultfilm, sondern erfuhr im Rahmen feministischer Filmkritik eine differenzierte Analyse. Hertha Thiele selbst emigrierte nach ihrem Ausschluss aus der Reichstheater- und Filmkammer 1937 in die Schweiz. Nach Kriegsende kehrte sie für einige Jahre nach Deutschland zurück, verbrachte die 1950er und den größten Teil der 1960er Jahre in der Schweiz, wo sie als psychiatrische Pflegehelferin arbeitete. 1966 wagte sie nochmals einen Ortswechsel in die DDR. Dort  gelang ihr mit Gastpielverträgen die Etablierung  an den Theatern,  etwa in Leipzig am Kellertheater. Von 1968 bis 1979 war sie Ensemblemitglied des Deutschen Fernsehfunks. In kleinen Rollen verkörperte sie „einfache“ Frauen „von nebenan“.    

Heide Schlüpmann (*1943) ist emeritierte Professorin für Filmwissenschaft an der Goethe Universität in Frankfurt am Main. Studium der Philosophie unter anderem bei Ernst Bloch und Theodor W. Adorno. Ende der 1970er Jahre: Arbeitsgruppe zum nationalsozialistischen Unterhaltungsfilm. Von 1991 bis in die späten 1990er Mitherausgeberin der Zeitschrift Frauen und Film. 2000 mit unter anderem Karola Gramann Gründung der Kinothek Asta Nielsen e.V., damit Beginn einer bis heute andauernden gemeinsamen Kuratorinnentätigkeit.

Karola Gramann (*1948) ist Filmwissenschaftlerin und Filmkuratorin. Bis 2022 künstlerische Leitung der Kinothek Asta Nielsen e.V. in Frankfurt am Main. Übersetzung des feministischen Schlüsseltexts „Visual Pleasure and Narrative Cinema“ von Laura Mulvey ins Deutsche. Mehrjährige Mitarbeit an der Zeitschrift Frauen und Film. Arbeitsschwerpunkte: Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart, Frühes Kino und Avantgarde, Queer Cinema. 1985 – 89 Leitung der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.

So 21.09 2025UT Connewitz
14:00 Uhr€ 7,50 (6,50 ermäßigt)
Gespräch mit Heide Schlüpmann & Karola Gramann

Trailer