Arbeit am Bild | Einblicke in das Werk von Hartmut Bitomsky

Jeder Film wie auch jede Photographie sind ein Lichtabdruck (daher photos und graphein) dessen, was sich vor dem Objekt im Augenblick der Aufnahme auf das Negativmaterial in der Kamera befunden hat. Aber sie sind auch die Darstellung des Blicks darauf: wie gesehen wurde, was sich vor der Kamera befand. Die Einstellungen kommen von den Dingen, die sichtbar sind, und sie kommen von den Bildern, die sichtbar machen. Dies sind zwei verschiedene Sachen.“ – aus: Verlorene Form, 2008

Hartmut Bitomsky (*1942 in Bremen) realisierte in einem Zeitraum von über vierzig Jahren eine Vielzahl zumeist essayistischer Dokumentarfilme, gehörte 1972 bis 1984 der Redaktion und Kooperative der bedeutenden Filmzeitschrift Filmkritik an, publizierte unter anderem mit „Die Röte des Rots des Technicolor“ (1972) und „Kinowahrheit“ (2003) filmtheoretische Schriften, dozierte an der School of Film and Video des California Institutes of the Arts, leitete schließlich 2006 bis 2009 die Berliner Filmhochschule dffb – und ist dennoch einem interessierten Publikum bislang wenig geläufig.

Im Anschluss an die frühen Arbeiten innerhalb des Filmstudiums – Brechtsches Lehrstück und Marxsche Theorie haben hier Einfluss – reflektieren die dokumentarischen Beiträge der 70er-Jahre primär filmhistorische und -ästhetische Themen, wie etwa das frühe Kino oder das Werk John Fords. Parallel dazu entstehen erste Texte für die besagte Filmkritik; Geschriebenes und Gefilmtes bedingen sich ab hier wechselseitig und werden in den folgenden Jahrzehnten zu einem Sinnkomplex.

In unserem Einblick fokussieren wir uns auf Filme der 1980er-Jahre, die zum Teil der WDR mitproduzierte. Sie stehen verdichtet für Bitomskys kritisch-analytische Bildbetrachtungen aus vielfältigen Quellen der (Kino-)Geschichte. Dokumentar- und Spielfilm interessieren hier gleichermaßen, denn beide dramatisieren und lenken ihre Stoffe. Wie die Dinge ins Bild gerückt werden, was sich also für Blicke und Ideen konstituieren, ob diese Bildproduktionen dadurch der Wahrheit näher kommen, oder sie doch vielmehr verdecken, ist das Thema des skeptischen Dialogs mit ihnen. „Ich glaube, ein Dokumentarfilm sollte nicht die Realität enthüllen, er muss die Realität artikulieren, gliedern.“ Diese Überlegung steht paradigmatisch für eine Methode, die durch das Arrangieren von vorgefundenem Material Sichtbares ab- und neu vermisst, ja mitunter erst Phänomene sichtbar werden lässt – ohne jedoch ästhetische Eigenwertigkeiten des Materials zu übergehen. Montage und pointierter, oft sachlich-lakonischer Voice-Over weisen dabei neue Blickwinkel.

Der erste Tag der Schau widmet sich mit DEUTSCHLANDBILDER (BRD 1984) und REICHSAUTOBAHN (BRD 1986) essayistischen Archivfilm-Kompilationen. Die nationalsozialistische Ästhetik, vor allem im dokumentarischen „Kulturfilm“-Genre, wird einer Art Bild-Aufklärung unterzogen. Die Zusammenschau verdeutlicht auch, wie Bitomskys Arbeit durch filmübergreifende Überlegungen und Verweise geprägt ist. Ramón Reichert, Filmwissenschaftler und Kulturfilm-Experte, wird in einer Einführung Bitomskys Methode künstlerischer Archivmaterial-Bearbeitung nachgehen und mit anderen Ansätzen dieser Art ins Verhältnis setzen.

Der folgende Thementag kompiliert mit DAS KINO UND DER WIND UND DIE PHOTOGRAPHIE (D 1991) und DAS KINO UND DER TOD (BRD 1988) Werke, die primär um die Reflexion der Kino- und Filmgeschichte kreisen und hier narrative und mediale Eigenarten behandeln, wie das Verhältnis Spielfilm zu Todes-Motivik und Dokumentarfilm zu Wirklichkeit. Gleichzeitig stellen sie den Arbeits- und Denkprozess Bitomskys aus, wenn er sich im Dialog mit seinen im Film behandelten Referenzwerken inszeniert. Frederik Lang, Filmwissenschaftler und freier Autor, wird zum Filmkritik-Zusammenhang und Bitomskys Filmkritik und -analyse mit den Mitteln der Kinematografie referieren. Ergänzt wird dies um das Filmkritik-Gemeinschaftsprojekt „L’ARGENT“ VON BRESSON (BRD 1983).

Mo 15.4
Luru Kino
19 UhrEinführung von Ramón Reichert
Deutschlandbilder
BRD 1982/83, R: Hartmut Bitomsky, Heiner Mühlenbrock, Dok, 60’, dOV, 35mm
21 UhrReichsautobahn
BRD 1984-86, R: Hartmut Bitomsky, Dok, 91’, OmeU, 35mm
Mi 17.4
Luru Kino
19 UhrEinführung von Frederik Lang
„L’Argent“ von Bresson
BRD 1983, R: Hartmut Bitomsky, Manfred Blank, Harun Farocki, 30’, dOV, File
Das Kino und der Tod
BRD 1988, R: Hartmut Bitomsky, 46’, dOV, Betacam SP
21 UhrDas Kino und der Wind und die Photographie
D 1991, R: Hartmut Bitomsky, 56’, dOV, DigiBeta
Spare Time
UK 1939, R: Humphrey Jennings, 15’, englische OV, 16mm