27.08.2021 | Rodina heißt Heimat (DE 1992, Helga Reidemeister)

DE 1992, R: Helga Reidemeister, Dok, 114’, dt. OV, 16mm

1991 beobachtete die westdeutsche Filmemacherin Helga Reidemeister acht Monate lang den Abzug der sowjetischen Truppen aus Meiningen in Thüringen. Sie sprach mit den jungen Soldaten noch an ihrer letzten Stationierung und begleitete sie in das Auflösungslager in der Ukraine und ferner zu ihren Familien nach Kiew, Samarkand und Nowosibirsk. Parallel zu dem Leben der Soldaten fand der Moskauer Putschversuch statt, und die Sowjetunion fiel auseinander. Was war für sie die Heimat, in die sie zurückkehrten, die es aber nicht mehr gab?

Als Soldaten mussten sie innerhalb der Hierarchie des Heeres Gehorsam leisten. Nachher, als freie Menschen, durften sie selbst ihre Entscheidungen treffen. RODINA HEIßT HEIMAT beeindruckt als zeitgenössisches Dokument einer historischen Veränderung. Was den Film aber zudem ins Heute und Jetzt holt, sind die politischen Ereignisse des letzten Jahrzehnts in Europa und Russland. Während der Dreharbeiten des Films im Jahr 1991 durften die sowjetischen Bürger*innen ihren Willen zur Selbstbestimmung realisieren. Heute aber sind die Fragen nach freier Meinungsäußerung, nach Grenzen – im Inneren und Äußeren – und nach Selbstzensur wieder aktuell.

Fr 27.08.Luru Kino in der Spinnerei
19 UhrMit einer Einführung von Elina Reitere

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

https://www.youtube.com/watch?v=w58WJNX4A0Y&ab_channel=filmarchiv100

27.08.2021 | Is it easy to be young? (SU/Lettische SSR 1986, Juris Podnieks)

SU (Lettische SSR) 1986, R: Juris Podnieks, Dok, 83’, OmeU, DCP

IS IT EASY TO BE YOUNG? von Juris Podnieks (1950– 1992) zählt zu den bedeutendsten Dokumentarfilmen, die in den letzten Jahren der UdSSR entstanden sind und gilt als einer der ersten, der die neue Stimmung im Staat unter der Glasnost- Agenda von Michail Gorbatschow filmisch einfing. Er beginnt mit Aufnahmen eines Konzertes der verbotenen Band Pērkons. Als Jugendliche auf dem Rückweg nach Riga Eisenbahnwaggons demolieren und ihnen ein Schauprozess gemacht wird, sucht Podnieks die Betroffenen im Gefängnis auf und spricht offen mit ihnen über ihre Ängste anstatt zu moralisieren oder zu verurteilen.

Und so begegnet er mit Offenheit, Ehrlichkeit und tiefem Interesse all seinen Filmhelden, die als Ganzes ein Kaleidoskop jener Akteur*innen der sowjetischen Gesellschaft bilden, die bis dahin unsichbar gebliebenen sind, weil sie nicht systemkonform sind oder weil ihre persönliche Sicht auf die Ereignisse von der ofiziellen Parteilinie erheblich abweicht. Punks, Veteranen des Afghanistan-Krieges, junge Mütter und ihre Geschichten zeugen vom unmöglichen, individuellen Kampf gegen das System. IS IT EASY TO BE YOUNG? war ein Blockbuster und hatte in der Sowjetunion 28 Millionen Zuschauerinnen.

Fri 27.08.Luru Kino in der Spinnerei Open Air
22 UhrMit einer Einführung von Elina Reitere

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

28.08.2021 | Fire will come (ES/FR/LU 2019, Oliver Laxe)

ES/FR/LU 2019, R: Oliver Laxe, D: Amador Arias, Benedicta Sánchez, 85’, OmeU, DCP

Nach dem Dreh seiner ersten beiden Filme in Marokko kehrt Regisseur Oliver Laxe in seine Heimat Galicien zurück, um die Geschichte einer Rückkehr zu erzählen. Amador, ein Brandstifter, kommt nach dem Absitzen seiner Gefängnisstrafe zurück in sein Heimatdorf, zum Haus seiner Mutter Benedicta und ihren Feldern und Tieren. Gerahmt von dokumentarischen Szenen bewegt sich das Geschehen behutsam vorwärts, fest eingehüllt in das althergebrachte Schweigen zwischen Mutter und Sohn, das sich zwischen den nicht-professionellen Schauspieler*innen entfaltet.

Die Repetition von ländlichen Riten und Arbeiten, eine fragmentierte Konkretheit der ausführenden Körper und Hände, die an Bresson erinnert, dazu im Wechsel Einstellungen, in denen die Charaktere mit der Landschaft verschmelzen. Die Struktur der 16 mm-Bilder schafft ein anthropologisches, zeitloses Register. Es erzählt von Intensität und Feuchtigkeit, von Wind und Feuer eines schönen und harten Landes, das als Metapher für das gestutzte Leben des Protagonisten und die Tiefe der bedingungslosen Liebe dient, die ihn beschützt. Jurypreis in Cannes 2019 in der Reihe Un Certain Regard.

Sa 28.08.Schaubühne Lindenfels
19 UhrEinführung von Ricardo Apilánez

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

mit Unterstützung der Botschaft von Spanien in Berlin


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28.08.2021 | De los nombres de las cabras – On the Names of the Goats (ES 2019, Silvia Navarro, Miguel G. Morales)

ES 2019, R: Silvia Navarro, Miguel G. Morales, Dok, 63’, OmeU, DCP

Aus mehr als dreißig Filmarchiven wählten Silvia Navarro und Miguel Morales Bilder aus, um ihren dokumentarischen Essay über die manipulative Macht der Bilder zu verfassen. Thema ist die Schaffung des Mythos der Guanchen, indigene Bewohnerinnen der Kanarischen Inseln, und die Geschichte der spanischen Herrschaft über das Gebiet bis zur Franco-Diktatur. Der Anthropologe Luis Diego Cuscoy spürte zwischen den 1940er und 70er Jahren den Überresten der Guanchen und dem Überleben ihrer Kultur unter damaligen Zeitgenoss*innen nach.

Er dokumentierte seine Forschung auf Film und Tonband. Diese Aufnahmen, ergänzt durch Propaganda- und Interviewmaterial aus diversen Quellen, erweisen sich in neu aufgearbeiteter Form als wirksames Instrument einer politischen Archäologie, die eine Neuinterpretation der Geschichte ermöglicht. Die Hintergründigkeit, die durch die Auswahl der Ausschnitte und deren Montage erreicht wird, ist überraschend und fesselt. Der Film oszilliert zwischen Legendenbildung und Geschichte, Phantasie und Zeugnis, Repräsentation und Spontaneität. Großer Preis für den besten Film beim IndieLisboa Festival 2019.

Sa 28.08.Schaubühne Lindenfels
21 UhrIn Anwesenheit von Miguel G. Morales

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

mit Unterstützung der Botschaft von Spanien in Berlin


29.08.2021 | My Mexican Bretzel (ES 2019, Nuria Giménez)

ES 2019, R: Nuria Giménez, D: Ilse Ringier, Frank Lorang, 72’, OmeU, DCP

„Lügen sind nur eine andere Art, die Wahrheit zu sagen“. Dieses ambivalente Zitat eröffnet die außerordentliche, archäologische Arbeit an einer Geschichte, die Nuria Giménez in ihrem ersten Langfilm mit Mitteln der Vorstellungskraft vorantreibt. Erzählt wird eine 20-jährige Ehe – auf Basis des Tagebuchs von Vivian Barrett: ihre Einträge sind in den Untertiteln zu lesen und werden ergänzt durch 16 mm-Farbbilder, die ihr glamouröses Leben aus Sicht ihres Mannes Léon schildern – Gedanken mal untermauernd, mal in Frage stellend, dabei in ihrer visuellen Kraft immer hypnotisierend.

Es entfaltet sich ein Spiel um Aufrichtigkeit und Verstellung, Freiheit und Unterdrückung. Eine beunruhigende Dialektik nistet sich ein zwischen Gezeigtem und Verborgenem, das in einem unergründlichen Außen zurück bleibt; groß wie der Rest der Welt, perverse Synthese von Unzufriedenheit und Herablassung. MY MEXICAN BRETZEL spielt mit Erzählstrategien, der Wahrhaftigkeit von Bildern, ihrer Dekontextualisierung und Neuinterpretation – auf Ebene der Protagonist*innen wie auf der rezeptiven der Zuschauenden. Eine Arbeit mit durch und durch filmischem Bewusstsein: in der Schrift, in den Texturen, im Rhythmus, im Ton – ein Beziehungsporträt, das aus dem Vertrauten ins Politische überläuft.

So 29.08.Schaubühne Lindenfels
19 UhrMit einer Einführung von Ricardo Apilánez

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

mit Unterstützung der Botschaft von Spanien in Berlin