Ludwig Harig | Hörstücke

Die 1960er-Jahre gelten gemeinhin als filmgeschichtliche Umbruchszeit; die zeitgleichen Neuerungsversuche des Radio-Hörspiels sind hingegen weniger bekannt. Ludwig Harig, vielseitiger Schriftsteller und Vertreter der Konkreten Poesie, war mit seinem Verfahren der verfremdenden Originalton-Collage einer ihrer prägendsten Protagonisten.


STAATSBEGRÄBNIS I

Regie: Johann M. Kamps , Ton und Technik: Eduard Kramer, Marlies Mathis, Adeltraut Schumann, Produktion: SR/WDR 1969, 63′

Am 19. April 1967 stirbt Konrad Adenauer. Aus den 33 Stunden der ARD-Tonbandmitschnitte von begleitenden Reportagen und Liveübertragungen collagiert Harig eine „dokumentarische Satire“, in der sich das zitierte Originalmaterial „ohne gemeine ‚Manipulation‘, einfach durch Verdichtung, Verkürzung, Wiederholung, in ein Sprachlustspiel verwandelt“ (Jörg Drews). Das 1969 ausgestrahlte STAATSBEGRÄBNIS I wurde zeitweilig mit einem Sende- und Publikationsverbot belegt.

18. April, 18-23 Uhr & 19. – 21. April, 16-23 Uhr – Schaubühne Lindenfels

jeweils im Rahmen der Ausstellung – Eintritt frei


EIN BLUMENSTÜCK

Komposition: Wolfgang Wölfer, Regie: Hans Bernd Müller, Mit Günther Sauer, Joachim Nottke, Charles Wirths, Ensemble: Zürcher Kammersprechchor und das Kinderfunkensemble Christa Frischkorn, Produktion: SR/HR/SDR/SWF 1968, 53′

EIN BLUMENSTÜCK ist die assoziativ-verstörende Zusammenführung deutscher Kinderlieder und -reime sowie Lese- bzw. Märchenbuchverse mit den Tagebuchnotizen des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß. In überlappenden Ton- und Musikebenen wird dabei ebenso der martialische Charakter des scheinbar harmlosen Liedguts erfahrbar wie das empörende Nebeneinander von Naturschönheit und denkbar Grauenvollstem in den Schilderungen Höß‘ pointiert. Harig setzt sich somit mit einem Gegenstand, der wie kein zweiter mit dem Problem der (künstlerischen) Darstellbarkeit in Verbindung gebracht wird, dezidiert repräsentationsskeptisch auseinander. Er tut das auch, damit nicht, wie in Höß‘ Erzählung, „über die Rampe Gras [wachsen]“ kann.

17. April, 18 Uhr – Luru Kino in der Spinnerei – Eintritt frei