ESIOD 2015 (AT/GER 2016, Clemens von Wedemeyer) / WINWIN (AT, 2016, Daniel Hoesl)

…BUT!—let’s not forget about the endless possibilities of FICTION! On April 07 at Schaubühne Lindenfels we will see two contemporary cinematic statements showing how the fiction film can be a vehicle for revealing
political and economic relations and structures of society. The works shown are Clemens von Wedemeyer’s recent sci-fi parable ESIOD 2015 and Daniel Hoesl’s capitalist play WINWIN. We are more than happy to have director Daniel Hoesl as well as Stephanie Cumming, who’s starring in both of the films coming to the screening for a Q&A. April 07 also marks the day of the opening of our TRUE POLITICS exhibition at Schaubühne Lindenfels’ ballroom. More infos on that will soon follow.

07 April, 9pm – Schaubühne Lindenfels

€ 8 (6 red.) for a double ticket incl. ESIOD 2015


In Anwesenheit der Hauptdarstellerin Stephanie Cumming.

ESIOD 2015

AT/D 2016, R: Clemens von Wedemeyer, D: Stephanie Cumming, Sven Dolinski, engl. OF, 39’ DCP

Wien 2051. Esiod kommt nach Jahren zurück in die Stadt, um in einer Bank
ihr Konto aufzulösen. Auf diesem Konto sind nicht nur Gelddaten, sondern auch Erinnerungen und persönliche Informationen digital gespeichert. Esiod wird vom Computersystem nicht erkannt. Sie muss sich einem Memorycheck unterziehen, bei dem beobachtet wird, wie sie auf Daten, Videos und Bilder des Kontos reagiert. Die Identitätsüberprüfung ist streng und enthält unter anderem ein Bewegungsprotokoll, in dem bis ins Detail die motorischen Muster eines Menschen als dessen Erkennungszeichen geführt werden. Drehort von ESIOD 2015 ist der halb gebaute „Erste Campus“ der österreichischen Sparkasse Erste Bank in Wien, einem Bauprojekt, dessen Gebäudeteile wie Überreste eines postapokalyptisch menschenverlassenen Areals wirken. Auf der Folie dystopischer Science-Fiction projiziert Regisseur Clemens von Wedemeyer die gegenwärtigen Finanzkrisen und die in der Architektur angelegte Virtualisierung von Arbeit, Leben und Kapital in eine nicht allzu ferne Zukunft. Seine  Protagonistin verliert sich zusehends in den Grenzbereichen zwischen realem und virtuellem Raum, und auch der Film selbst löst sich immer  weiter auf, wird transparent, zur Pixelcloud.


In Anwesenheit des Regisseurs Daniel Hoesl und Darstellerin Stephanie
Cumming

WINWIN

AT 2016, R: Daniel Hoesl, D: Christoph Dostal, Stephanie Cumming, Jeff
Ricketts, Nahoko Fort-Nishigami, OmeU, 84’, DCP

WINWIN, das sind vier smarte Investor*innen, eine Gruppe kosmopolitischer Wanderprediger*innen, die in einer Welt jenseits von Risiko umher jetten. Immer wenn sie wieder festen Boden unter den Füßen haben, führen sie Unternehmen in eine noch bessere Zukunft. Da wird vernetzt, herausgefordert, gegessen, sich gedehnt, expandiert, gesund geschrumpft. Ihre Kleidung sitzt ausgezeichnet, alles, was sie sagen ist wohlig intoniert. Sie sprechen uns von der Leinwand direkt an, ihre Worte stehen entrückt im Raum, sind nicht an irgendeine Realität gerichtet und betreffen doch alle. Die Filmdialoge allerdings fußen in der Realität, basieren sie unter anderem auf persönlichen Treffen mit Investoren, Managern und anderen superreichen Menschen. WINWIN ist eine ästhetisch konsequente, doppelbödige Reflexion über Mechanismen des postmodernen, globalen Finanzkapitalismus – der bissige Humor des Films beginnt dort, wo der Spaß aufhört. Direkt aus dem Paralleluniversum der Macht, wirken die Bilder wie ein absurder Traum, ein poppiger Bilderreigen aus einer meist geräuscharmen Oberflächenwelt. Regisseur Daniel Hoesl, der „Bertolt Brecht der Techno-Generation“ (Wroclaw International Film Festival) und sein Produktionskollektiv European Film Conspiracy formulieren einen scharfen Kommentar auf eine Welt, indem sie die eigenen Waffen eben dieser Welt auf sie selbst richten. Alles ist aufwendig choreografiert, digital und streng durchdacht, alles ist clean, höflich und irgendwie auch abstoßend. Es ist eine Welt, in der alle Liebe predigen und Geld ernten.

Soldate Jeannette (AUT 2013, Daniel Hoesl)

Soldate Jeannette

(AUT 2013, R: Daniel Hoesl, D: Johanna Orsini-Rosenberg, Christina Reichstaler, 73’, OmeU, BluRay)

Einführung und anschließenden Filmgespräch mit Hauptdarstellerin Johanna Orsini-Rosenberg und Filmkritiker Dennis Vetter (NEGATIV, Woche der Kritik Berlin)

I prefer not to. Die Maxime des Aufstands lautet Verweigerung. Als eine still kämpfende Anarchistin auf einem inneren Feldzug, gelassen aber dennoch erfolgreich, entzieht sich die Hauptfigur Fanni allen gesellschaftlichen Erwartungshaltungen. Sie will nicht Teil der Maschinerie sein. Mehr und mehr entflieht sie ihrer eigenen Lebenswelt, bis sie auf dem Land, ihrem selbstgewähltem Rückzugsort, mit der ebenso in Zwängen verharrenden Anna Bekanntschaft macht.
Ohne auf einfache Lösungen zu setzen, porträtiert der Film zwei sehr unterschiedliche Frauen, die zwei ebenso unterschiedliche emanzipatorische Prozesse durchlaufen. Gemeinsam auf getrennten Wegen wandelnd, finden die beiden letztlich näher zueinander. Visuell pointiert konzipiert, bezieht Hoesl biografische Momente beider Schauspielerinnen mit ein, ohne dokumentarisch zu sein – auch wenn das beim Ergebnis kaum jemand glauben mag: das Drehbuch wurde nicht geschrieben, sondern improvisiert. Als Kollektiv The European Film Conspiracy funktioniert die Gruppe um Hoesl mit Minimalbudget, doch ermöglicht eine enge Komplizenschaft kompromissloses Arbeiten kombiniert mit künstlerischem Anspruch. In nur 25 Drehtagen und ohne Produktionsfirma ist aus dem Experiment Soldate Jeannette ein anstiftendes Statement geworden – sowohl vor als auch hinter der Kamera.

20. April, 20 Uhr – Luru Kino in der Spinnerei – € 6/5 (erm.)