Lecture von Julia Reifenberger
Girls with Guns. Radikalfeministische Ermächtigungs-fantasien?
Der so häufig beschworene Kampf der Geschlechter wird filmisch in keinem Subgenre uncodierter und gewalttätiger dargestellt als im in den 70er Jahren entworfenen und bis heute variationsreich inszenierten Rape&Revenge-Movie. Die Vergewaltigung einer Frau bildet den erzählerischen Kern. Dass die verübte Tat in Form einer kaltblütig exekutierten Rache auf den Täter zurückfällt, ist gewiss.
Ausgehend von dieser Verdichtung sexualisierter Gewalt, Gegengewalt und weiblichem Aufbegehren wird Film- und Kulturwissenschaftlerin Julia Reifenberger an aktuelle Produktionen anknüpfen als auch einen Blick auf historische Entwicklungslinien werfen. Dies wird deutlich machen, dass Rape&Revenge-Movies nicht zwingend exploitativ sind oder auf Schaulust und billigen Nervenkitzel abzielen. In Bergmans Die Jungfrauenquelle (1960) finden sich genauso Rape&Revenge-Elemente wie in Virginie Despentes’ Baise-moi (2000) und Gaspar Noés Irréversible (2002).
Anhand von Filmbeispielen wird Reifenberger nach dem feministischen Potential des Genres fragen, über geschlechterpolitische Implikationen und den Wandel der Rachefeldzüge sprechen. Oblag in den frühen Jahren die Revenge noch den männlichen Familienmitgliedern des Opfers, entwickelt sie sich später aus dessen Selbstermächtigung. Brutal aber lustvoll exekutiert es die Rache selbst. Seit einigen Jahren wird diese Rache obligatorisch als Gegenvergewaltigung erzählt, die dem Peiniger seine männliche, privilegierte Identität nimmt.
Im Anschluss
MS. 45
USA 1981, R: Abel Ferrara, D: Zoe Tamerlis Lund, Jack Thibeau, Peter Yellen, 81’, dF, 35mm
Am selben Tag wird die stumme Thana zweimal vergewaltigt. Ihr zweiter Peiniger überlebt seine Schandtat nicht. Zerkleinert landet er zunächst im Kühlschrank, danach in den Müllkörben New Yorks. Der Fund seines 45er-Colts ist der Auftakt zu einem rigorosen Aufräumen. Thana rechnet mit dem Monstrum Mann ab. Die früh verstorbene Zoe Tamerlis Lund spielt furios auf.
26. April, 20 Uhr – UT Connewitz
Abuse of Weakness
(F 2013, R: Catherine Breillat, D: Isabelle Huppert, Kool Shen, 104’, OmeU, DCP)
Catherine Breillat darf in einem Programm, das sich mit Intimitäten und weiblich-begehrlichen Perspektiven auseinandersetzt, natürlich nicht fehlen. In unserer Auswahl macht Abuse of Weakness das, was ihre kontroversen Filme meist vollbringen: er erweitert die thematische Bandbreite der Vaginale mit seiner ganz eigenen Sicht auf die Dinge. Er ist vielschichtig und autobiographisch inspiriert. Die Anti-Heldin Maud – eine starke, risikofreudige Regisseurin – erholt sich von einem Schlaganfall zu Hause. Im Fernsehen sieht sie den arroganten, charismatischen Vilko, den sie unbedingt in ihrem nächsten Film haben will. Zwischen den beiden entwickelt sich ein seltsam freundschaftliches, fortwährendes Machtspiel, das auf Kontrolle und gegenseitiger Abhängigkeit beruht. Hupperts Ganzkörperperformance ist ein unwiderstehliches Glanzstück, an deren Seite der französische Rapper Kool Shen jedoch eine nicht allzu schlechte Figur abgibt. Exquisit wird erzählt, dass das Ausnutzen einer Schwäche immer verbunden ist mit dem Ausnutzen einer Stärke. Vielleicht kann sich also sogar ein starker Charakter als Schwäche entpuppen. „The abuse of weakness is something delicious. You are very happy when it is happening to you.“ (Breillat)
24. April, 20 Uhr – Schaubühne Lindenfels – 6/5 (erm.) Euro