In this year, too, we want to continue to examine the political
potential of cinema as well as its involvement in the formation of a
cultural memory, its representation of history and its function as a
vehicle for collective commemoration.
Accordingly, we’re really happy to have Prof. Dr. Marcus Stiglegger—film scholar and cultural scientist from Berlin – coming to our festival on Apr 24, 2016 and present his recent findings on cinematic representations of the Shoah.
Also, we are glad to be able to screen the Oscar and Golden Globe winning and really outstanding film »Son of Saul« by László Nemes, after the lecture.
Lecture
Auschwitz Cinema. Filmische Reflexionen des Holocaust von Marcus Stiglegger
Changierend zwischen einem Bildverbot für das Unfassbare und dem Gebot des Erinnerns verlief die filmische Aufarbeitung der Ereignisse unter der nationalsozialistischen Okkupation zunächst schleppend, nachfolgend dann in mehreren, eher tastenden Phasen. Ende der 1970er-Jahre hatte sich schließlich eine der Auschwitz-Literatur vergleichbare filmische Vermittlungsform etabliert, in der sich eine eigene Ikonografie des Völkermordes und der Konzentrationslager herausbildete. Die Kraft dieser Bildinszenierungen wirkt bis heute. Ihr ikonischer Charakter überlagert die historischen Ereignisse – mehr noch: Die Simulation dieser Ereignisse wird im kollektiven Gedächtnis mit den geschehenen Ereignissen gleichgesetzt. In seinem Vortrag Auschwitz Cinema wird Film- und Kulturwissenschaftler Marcus Stiglegger mit Blick auf Mythenbildung die wesentlichen Tendenzen der Kinematografie, die Narrative und Bildwelten ihrer Holocaust-Fiktionalisierung nachzeichnen. Mit kursorischem Blick untersucht er ausgehend von der Nachkriegszeit sowohl die Suche nach Orientierung in den 1960er Jahren, die skandalösen Experimente der 1970er Jahre, die Genese einer Ikonografie in den 1980er Jahren als auch die Zeit nach dem Paradigmenwechsel durch Steven Spielbergs Schindlers Liste (1994). Anhand verschiedener Filmbeispiele wird Stiglegger über den aktuellen Holocaust-Diskurs sprechen sowie auch marginalisierte Filme wie Love Camp 7 (1969), Salon Kitty (1976) oder Tras el cristal (1987) schlüssig in den Diskurs integrieren.
Im Anschluss
Saul fia (Son of Saul)
HU 2015, R: László Nemes, D: Géza Röhrig, Levente Molnár, Urs Rechn, 107’, OmU, BluRay
Statt zu versuchen, den Überblick zu bewahren, stürzt der Film sich direkt ins Getriebe einer monströsen Todesfabrik und konzentriert sich dabei vordergründig nur auf ein einziges, winziges Rädchen darin. Die gesamte Zeit über bleibt das Geschehen dem Protagonisten Saul und seiner Wahrnehmung verpflichtet. Damit betreibt Son of Saul ein Wechselspiel, das einerseits immer wieder explizite Darstellungen verweigert, andererseits jedoch genau jene Bilder liefert, die es – ginge es nach Shoah-Regisseur Claude Lanzmann – gar nicht geben dürfte. Am grausamsten ist letztlich das, was wir nicht oder nur unzureichend sehen: die unscharfen Aufnahmen, die mit Hilfe unserer Fantasie vervollständigt werden müssen, angefeuert von einer lärmenden Todes-Kakophonie aus Schreien, Schüssen und dem endlosen Rattern der Vernichtungsmaschine.
24. April, 20 Uhr – UT Connewitz