We’ll continue our homage to the Sensory Ethnography Lab
Today at Luru Kino. Thanks to all y’all who came around yesterday and thanks to UT Connewitz and Prof. Dr. Ursula Rao. Today we’ll have Simon Rothöhler of Germany’s unbeatenly best film magazine Cargo as a guest to give a lecture on the SEL and introduce the first two films showing today: FOREIGN PARTS and SINGLE STREAM. Rothöhler also contributed a text to our special SEL booklet which you can find here: GEGENkino 2018 SEL booklet—or tonight at Luru Kino. Here’s the schedule and further information:
Sa 07. April 2018 Luru Kino | HOMMAGE: Sensory Ethnography Lab |
20 Uhr | Foreign Parts + Single Stream FOREIGN PARTS (USA/F 2010) R: Véréna Paravel & J.P. Sniadecki 80’ & SINGLE STREAM (USA 2014) R: Pawel Wojtasik, Toby Kim Lee & Ernst Karel 23’ |
22 Uhr | J.P. Sniadecki | FOCUS ON CHINA SONGHUA (USA/CHN 2007, DOK, R: J.P. Sniadecki, 28’, DCP, OmeU) YUMEN (USA/CHN 2013, DOK, R: Xu Ruotao, J.P. Sniadecki, Huang Xiang, 65’, DCP, OmeU THE YELLOW BANK (USA/CHN 2010, DOK, R: J.P. Sniadecki, 27’, DCP, OmeU, OV w/ English subtitles |
Einführung von Jun.-Prof. Dr. Simon Rothöhler
FOREIGN PARTS / SINGLE STREAM
FOREIGN PARTS
USA/F 2010 DOK, R: Vèrèna Paravel & J.P. Sniadecki, 80’, DCP, OmeU
Ein Schrottplatz und Ersatzteil-Umschlagpunkt in Queens, New York City: Mikrokosmos einer vorwiegend migrantisch geprägten, so lebhaften wie prekären Großstadtkultur. Dialogfetzen privaten und geschäftlichen Inhalts, Barbecues, puerto-ricanischer Straßengesang, soziales Elend, Alkoholismus und zwischenmenschliche Solidarität. Vèrèna Paravel und J.P. Sniadecki, die jeweils auf unterschiedliche Weise ein Experimental-fi lm-Meisterwerk im SEL-Rahmen drehen sollten, LEVIATHAN (2012) und YUMEN (2013), gehen in FOREIGN PARTS noch cinéma vérité-artige Wege. Die Kamera ist kaum auf ästhetisch durchgebildete Komposition aus, sondern folgt unmittelbar den lose porträtierten ProtagonistInnen beim Nachgehen alltäglicher Verrichtungen: sei es Betteln, Ersatzteile besorgen oder zwischendurch in der Autowerkstatt tanzen. Das Gewerbegebiet „Willets Point“ ist vom Abriss bedroht und damit die Existenz von rund 250 Shops und über 2000 ArbeiterInnen. Residential Units, ein Convention Center und Ähnliches sollen nach Vorstellung der Stadtverwaltung an dessen Stelle treten. Ein ge-sellschaftspolitisch aufgeladener Film, ohne dass er je einen bestimmten Standpunkt forciert: er zeigt nur auf.
SINGLE STREAM
USA 2014 DOK, Paweł Wojtasik, Toby Kim Lee & Ernst Karel, 23’, DCP, OmeU
SINGLE STREAM schwankt stärker zwischen der Schilderung eines spezifi schen Arbeitsalltags und davon abstrahierender, formalästhetischer Studie: Eine Mülltrennungs- und Recyclinganlage bietet Anlass für eine Ästhetisierung des Hässlichen. Far-ben, Formen und Materialoberfl ächen ziehen geis-terhaft durch die Cinemascope-Einstellungen, die Geräuschkulisse ist gleichermaßen eindringlich wie beängstigend.
J.P. Sniadecki | FOCUS ON CHINA
SONGHUA
USA/CHN 2007 DOK, R: J.P. Sniadecki, 28’, DCP, OmeU
YUMEN
USA/CHN 2013 DOK R: Xu Ruotao, J.P. Sniadecki, Huang Xiang, 65’, DCP, OmeU
THE YELLOW BANK
USA/CHN 2010 DOK, R: J.P. Sniadecki, 27’, DCP, OmeU
SONGHUA steht mit seinem Fokus auf das Wechselverhältnis von Mensch und Natur – konkret die Bedeutung des Flusses Songhua für die circa vier Millionen Einwohner Harbins – noch am ehesten in der Tradition des ethnographischen Dokumentarfilms. Lose und flüchtig werden Tourismus, Freizeitaktivitäten, Rendezvous und triviale Alltagsverrichtungen, aber auch die starke Verschmutzung des Gewässers registriert. Ein Fluss steht auch bei THE YELLOW BANK im Zentrum. Die statische, auf einer Fähre positionierte Kamera registriert in langsamer Fahrt während eines verregneten Vormittags die imposante Skyline Shanghais. Das Sujet und seine formale Gestaltung sind denkbar einfach. Doch dann passiert etwas Außergewöhnliches: peu à peu verdunkelt ein Naturphänomen das Großstadtszenario, bis es schließlich in völliger Finsternis angelangt. Beherrschte in THE YELLOW BANK die Natur für kurze Zeit völlig das Geschehen, so geht es in YUMEN um ihre Verwertung. Im Nordwesten Chinas liegt die ehemals lebhafte Industriestadt Yumen. Früher ein wichtiger Ölförderspot, heute eine verlassene und ruinöse Geisterstadt. Die eng kadrierten 16mm-Bilder, die selbst ihre angegriffene Materialität und Vergänglichkeit zur Schau stellen, erfassen gleichermaßen das schäbige Innere früherer Fabriken und Repräsentationsbauten, wie einzelne Personen, die sich geisterhaft durch diese bewegen.
Thanks a lot, you dear adherents, for coming to our opening screening at Luru Kino yesterday! It was a pleasure to see so many new as well as familiar faces.
Today we’ll continue at UT Connewitz with our three-day homage to Harvard’s Sensory Ethnography Lab that will encompass 10 films and 2 audio works. To introduce you to the works of the SEL and give some context we’re very happy to have Prof. Dr. Ursula Rao from Leipzig Institue of Anthropology coming for a talk about ethnographic film.
There’s also a small booklet designed by Sophia Eisenhut including texts by Cargo’s Simon Rothöhler and our homeboy Tilman Schumacher about the SEL and the films and works we’ll present as part of our homage. You can find it right here: https://view.publitas.com/gegenkino/sel-2018
And now here’s the schedule for today:
Fr 06. April 2018 UT Connewitz | HOMMAGE: Sensory Ethnography Lab |
20 Uhr | SWEETGRASS (USA 2009, 35mm!) R: Ilisa Barabash & Lucien Castaing-Taylor 101’ OV w/ German subtitles |
22 Uhr | STEPHANIE SPRAY | FOCUS ON NEPAL Untitled (2010, Dok, R: Stephanie Spray, 14min, OmeU, DCP) As long as there’s breath (2009, Dok, R: Stephanie Spray, 56min, OmeU, DCP) Monsoon Reflections (2008, Dok, R: Stephanie Spray, 23min, OmeU, DCP) OV w/ English subtitles |
Einführung von Ethnologin Ursula Rao
SWEETGRASS
USA 2009 DOK, 101’, OmdU, 35mm
Regie: Ilisa Barbash & Lucien Castaing-Taylor
Eine experimentelle Annäherung ans „Americana“. Gegen Ende des Films sieht man in einer Kamera-Totalen, die von einem Berg aus ins Tal gerichtet ist, eine Schafherde, wie sie sich langsam eine Steigung hinaufschlängelt, angetrieben von einem Schäferhund und dem dazugehörigen Cowboy. Er ist über die weite Distanz hin nur schemenhaft auszumachen, doch die Tonspur ist uns ganz nah: “Fucking sick of this shit! Move on you fucking whores!” Das ist der skurril wirkende Höhepunkt der Entzauberung und -mystifizierung des sagenumwobenen Cowboy-Images, der für SWEETGRASS in Gänze stehen kann. Der klassische Cowboy, leidenschaftlich und eins mit der Natur, ist hier, ebenso wie Naturromantik, kaum noch anzutreffen. Zwar sehen wir uns majestätische Landschaften gegenüber, die bergige und mit satten Weideflächen bewachsene Umgebung Montanas, doch steht der harte und vor allem einsame Arbeitsalltag der porträtierten Viehtreiber im Vordergrund. Sie ziehen abhängig vom Zyklus der Jahreszeiten ihre Schafe zum Weiden vom Tal in die Berge, anschließend wieder hinab – ein monotoner Vorgang und für die Sweetgrass-Region von Montana der letzte seiner Art. Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash dokumentieren damit auch ein aussterbendes Handwerk, eine symbolisch besetzte Kulturtechnik Amerikas seit dem 19. Jahrhundert. Bemerkenswert frei von Sentimentalität und doch mit etwas Wehmut.
Die Ethnologin Ursula Rao wird in einer Einführung die Verortung des SEL innerhalb der (visuellen) Ethnographie in wissenschaftsgeschichtlicher und- theoretischer Hinsicht beleuchten
Kurzfilme von Stephanie Spray
FOCUS ON NEPAL
Untitled
2010, Dok, R: Stephanie Spray, 14min, OmeU, DCP)
As long as there‘s breath
2009, Dok, R: Stephanie Spray, 56min, OmeU, DCP
Monsoon Reflections
2008, Dok, R: Stephanie Spray, 23min, OmeU, DCP
Die kontinuierliche, vierzehnminütige Einstellung in UNTITLED, in der ein frischvermähltes Paar miteinander streitet und dann wieder scherzt, nimmt auf kondensierte Weise Stephanie Sprays’ Betrachtunsweise des nepalesischen Familienzusammenhangs auf. Ruhig beobachtend, wenig an Ästhetisierung interessiert, dafür umso mehr am Geschlechterverhältnis.
„What kind of life is this for God to give me? (…) It seems it’s not okay to walk around crying.“, resümiert das weibliche Oberhaupt der nepalesischen Gayek-Familie, während sie, hochbetagt, in der Hocke einen Stein schleift. Mit einfachen Mitteln registriert MONSOON-REFLECTIONS den gemeinsamen (Arbeits-)Alltag der Familienangehörigen, die nur aus Frauen zu bestehen scheinen. Stoisch und zugleich humorvoll ertragen sie ihr beschwerliches, von körperlicher Arbeit geprägtes Leben.
AS LONG AS THERE’S BREATH handelt in zumeist statischen, lange währenden Einstellungen ebenfalls vom Zusammenhalt der Gayeks. Statt der Arbeit rückt hier mehr die emotionale Bindung der Protagonisten zueinander in den Blick. Fragen der Sexualität, Paarbeziehung und des gesellschaftlich bedingten Ungleichgewichts der Geschlechter kommen ungezwungen zur Sprache. Diesmal sind auch Männer präsent, einer davon aber nur in Gedanken: Kamal, der es im Dorf nicht mehr ausgehalten habe und sich einer maoistischen Jugendorganisation anschloss. Über solche nur aus dem Off vermittelten Nebenschauplätze, scheint über das enge Familiengeflecht hinaus ein Bild der nepalesischen Gegenwart hindurch.
Ernst Karel Sound Arbeiten: Morning and other times (2014 ) / Swiss moutain transport systems (2011)
As you may know, on Sunday, 6pm, at Luru Kino you’ll get the rare chance to hear some of the Ernst Karel’s sound works as part of our homage to Harvard’s Sensory Ethnography Lab; namingly:
MORNING AND OTHER TIMES
USA 2014, R: Ernst Karel, Audio, 30’
SWISS MOUNTAIN TRANSPORT SYSTEMS, RADIO EDIT
USA 2011, R: Ernst Karel, Audio, 55’
Here’s an excerpt from Aby Bliss’ review of SWISS MOUNTAIN TRANSPORT SYSTEMS for British magazine The Wire #333:
»[E]ven devoid of context, the sounds trapped on tape are curiously absorbing. They can be both soothing and suspenseful, as on ›Oberterzen-Unterterzen‹, where the low rumble of machinery and a keening wind are punctuated by periodic clankings and brief snatches of birdsong. The sense soon emerges of a landscape idealised yet only half-conquered by humans. The illusion of gliding, godlike, up a mountainside rests upon loud and often ungainly machinery, as heard on ›Stans-Kälti‹, where strains of (stereotypically) Swiss cowbells are almost drowned out by the violent exertions of the funicular train. Karel also hints at coming obsolescence: the helicopter heard on ›Simplon Pass‹ is transporting materials to a road builder, even as systems only recently documented by Karel have since been removed. Transport is less solid than its imposing infrastructure suggests.«
…and some general words on the Sensory Ethnography Lab by The Wire:
»Sensory ethnography has emerged in response to the way that anthropology has represented its human subjects in media, primarily through film. This new discipline, which has its roots in field recordings, sound art and ethnographic films, tries to develop a way of approaching anthropology’s social concerns, maintaining its methodological imperative to clearly and accurately represent its subjects, while at the same time acknowledging that the audience for such research also makes up part of the meaning that it creates. In short, sensory ethnography is an attempt to resolve the subjective, artistic approaches needed to make effective and engaging work out of empirical data, at the same time as accurately representing its observations.«