31.08.2021 | A Metamorfose dos Pássaros – The Metamorphosis of Birds (PT 2020, Catarina Vasconcelos)
PT 2020, R: Catarina Vasconcelos, D: Manuel Rosa, João Móra, Ana Vasconcelos, Henrique Vasconcelos, Dok, 101’, OmeU, DCP
Beatriz Vasconcelos zog Mitte des 20. Jahrhunderts sechs Kinder groß, während ihr Ehemann Henrique die meiste Zeit zur See fuhr. Nach ihrem Tod begann sie innerhalb ihrer Familie weiterzuleben: in Fotos, Erinnerungen, Fantasien. Eine davon war die eines Baumes in der infantilen Vorstellungskraft ihrer Enkelin Catarina. Erwachsen und mit der Erfahrung des Verlusts der eigenen Mutter konfrontiert, erschafft diese Jahre später mit geringem Budget und Darsteller*innen aus der Verwandtschaft eine intime Elegie.
Resultat ist eine dokumentarische Form voller behutsamer Inszenierungen, die über präzise arrangierte Tableaus und Figurenkonstellationen den Raum der persönlichen Familienerzählung erweitert zu einem Kino-Poem über Kindheit, Liebe und Trauer, angereichert mit der Grazie von Gegenständen, Gesten und den Farben, Tönen und Lichtern der Meere und Wälder Portugals.
Di 31.08. | UT Connewitz |
21 Uhr | regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€ |
LS/ZA/IT 2019, R: Lemohang Jeremiah Mosese, D: Mary Twala Mlongo, Jerry Mofokeng Wa
„Der Tod hat dich vergessen“, sagt der Priester zu Mantoa, einer 80-jährigen Witwe. Ihr letzter Sohn ist gerade bei einem Minenunfall verstorben und kehrt nicht wie üblich in die zerklüfteten Berge nach Lesotho zurück. Sie beginnt ihr Begräbnis zu planen, bereitet sich auf ihr Sterben vor. Doch der Tod kommt nicht. Stattdessen erreicht die Dorfgemeinschaft die Nachricht, dass sie umgesiedelt werden sollen, weil eine Überflutung des Tals droht und ein Staudamm gebaut werden soll. Aus diesem Setting entwirft THIS IS NOT A BURIAL, IT’S A RESURRECTION eine dunkel funkelnde Parabel über Trauer, Neo-Kolonialismus und kollektiven Widerstand.
Vor Ort mit wenigen Profis und vielen lokalen Laiendarsteller*innen gedreht, entfaltet sich die Geschichte durch die Anmut der Kamera, die dokumentarische Sensibilität der Bilder, die umwerfend beleuchteten Tableaus, die gespenstische Musik. Eine märchenhafte Sinnlichkeit entwickelt sich und wird vielschichtig zugespitzt, indem Wolle, Matsch, Zement, Asche, Vorhänge und Gewänder erzählerische Mittel werden. Ein Film, der Spuren von Brechts epischem Theater und eine ästhetische Verwandtschaft zu manchen Filmen von Pedro Costa aufweist – eine trotzige Totenklage, durchkreuzt mit Qualitäten aus einer anderen Welt. Ein Film, den man lange nicht vergisst.
Mi 01.09. | UT Connewitz |
20 Uhr | regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€ |
Die Abmachung, die wir beim Schauen vom Filmen eingehen, versprachlichen Leonor Noivo und ihre Co-Autorin Patricia Guerreiro gleich in den ersten Momenten von RAPOSA: Ein Mensch (Patricia) wird einen anderen Menschen (Maria) darstellen. Die Frage, wo die Person aufhört und wo die Figur anfängt, zersplittert uneindeutig in Mikrokosmen zwischen Welt und Ich. Der eigene Körper, diese „solidarische Masse“ (Jean-Luc Nancy), wird gespiegelt in einer behutsamen Fiktion, gefiltert durch die Kamera einer Filmemacherin, angereichert mit Biografie, erweitert als Metapher und wahrnehmbar als Abdruck in der Welt: als Gipshaut, als ephemere Wellen auf einer Oberfläche Wasser und als Leinwand für die Lichtstöße eines Projektors. Die Eindringlinge – Luft, Licht, Nahrung, Worte – konstituieren eine permanente Gefahr der Ansteckung, des Ich-Verlusts, der Auslöschung. Die Mittel des Kampfes: das Zählen, die Rituale, die Freundschaft, das Kino.
Kontamination ist auch ein zentrales Motiv in A MORDIDA. Hier bedroht sie als Epidemie die Lüge der natürlichen, binären Ordnung der Geschlechter und dient als Chiffre für den Aufstieg neo-faschistischer Strukturen in der brasilianischen Gesellschaft. Ursprünglich entwickelt als dokumentarisch-fiktionale Mehrkanal-Installation, vibriert der Film zu den Klängen des Londoner Klangkünstlers HAUT in einer moskito-getränkten Zukunft, die schon lange nicht mehr nur „vor uns“ liegt. Als würden wir den vorangegangenen Film einfach weiter träumen, entfalten sich die warmen Farben von PRINCESA MORTA DO JACUÍ in einer Regenwaldregion namens „Zentrale Depression“. Als fürchte er sich vor dem Eindringen der genmanipulierten Mücken aus A MORDIDA, trägt auch der Archäologe Moreira einen weißen Schutzanzug. Getrieben von Panikattacken reist er ins Herz der eigenen Finsternis, um sich den Dämonen seiner Vergangenheit zu stellen und Geschichte neu zu schreiben.
Mi 01.09. | Plagwitzer Markthalle |
21: 30 Uhr | KURZFILMROLLE Raposa 40′ + The Bite 26′ + Dead Princess of Jacuí regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€ |
RAPOSA / REYNARD
PT 2019, R: Leonor Noivo, D: Patricia Guerreiro, 40’, OmeU, DCP
A MORDIDA / THE BITE
PT/BR 2019, R: Pedro Neves Marques, D: Ana Flávia Cavalcanti, Alina Dorzbacher, Kelner Macedo, 26’, OmeU, DCP
PRINCESA MORTA DO JACUÍ / DEAD PRINCESS OF JACUÍ
BR 2019, R: Marcela Ilha Bordin, A: Gabriel Palma, Maíra Flores, 15’, OmeU, DCP
HK 1997, R: Fruit Chan, D: Sam Lee, Neiky Yim Hui Chi, Wenders Li, 104’, OmeU, DCP
Im Jahre 1997 geht die Kronkolonie Hongkong folgenreich an Festland- China zurück. Ein Großaufgebot symbolischer Zeremonien leitet einen vorerst unsichtbaren, gesellschaftlicher Wandel ein. Vor diesem Umbruch dreht Chan eine lose Trilogie über Figuren, die mit täglichen Herausforderungen kämpfen, während im Hintergrund zukunftsbestimmende Weichen gestellt werden. MADE IN HONG KONG ist dabei ein Mix aus Genrekonventionen und Coming-of- Age-Themen. Schauplatz ist ein Sozialbaukomplex, die Protagonist*innen ein Gruppe Jugendliche. Moon spielt Basketball, schützt seinen Freund Silvester, der mit einer geistigen Behinderung lebt, vor Mobbing und finanziert mit Gelegenheitsjobs für den Triadenboss Brother Wing seinen Alltag.
Zu schlau, sich den Triaden gänzlich anzuschließen, kann er sich doch deren Einfluss letztlich nicht vollends entziehen. Beim Geldeintreiben lernt er die kranke Ping kennen, der er im Folgenden zu helfen versucht. Parallel lassen Abschiedsbriefe eines unbekannten Mädchens die Gruppe der Jugendlichen nach einem Geist in der Großstadt suchen. MADE IN HONG KONG ist ein pessimistischer Blick in die Zukunft eines isolierten Terrains. Fruit Chans Helden ist bewusst, dass die Welt gegen sie gerichtet ist. Und dennoch versuchen sie, der Hoffnungslosigkeit etwas entgegen zu setzen.
Do 02.09. | Luru Kino |
19 Uhr | Mit einer Einführung von Clemens von Haselberg regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€ im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€ |
HK 1980, R: Tsui Hark, D: Lo Lieh, Lin Chen-Chi, Albert Au, 95’, dF, 35mm
Im Jahre 1956 wird in der Kronkolonie ein Gesetz verabschiedet, welches Sprengstoffe als „dangerous objects of the first kind“ einstuft. Der gleichnamige Film zeigt Hongkong als Pulverfass: Eine Konsumgesellschaft voller Gewalt und Korruption im Würgegriff des westlichen Kolonialismus. Dazu eine unzufriedene Jugend, die das Streichholz entzündet. Je nach Schnittfassung legen drei Studenten in einem Kino eine selbstgebastelte Bombe oder sie begehen nach einem Unfall Fahrerflucht. Die psychotisch veranlagte Pearl beobachtet sie dabei und erpresst die Gang, weitere anarchistische Aktionen durchzuführen.
Eine jugendlich-naive Zelle entsteht, die Bomben legt, Tourist*innen ausraubt und öffentliche Verkehrsmittel entführt. Die Bande stolpert über die Affären kaltblütiger, amerikanischer Vietnam-Veteranen – bald interessiert sich auch eine Triade für sie. Die Lage spitzt sich zu und steuert einem Finale voller Wahnsinn entgegen. Der Film ist ein Frühwerk des New-Wave-Regisseurs Tsui Hark, der seinem rebellischen Unmut freien Lauf lässt und mit Hilfe auswegloser, rasanter Bilder ein tabuisiertes Thema als visuellen Höllenritt inszeniert. Ein nihilistischer Schocker über eine Jugend, die droht vor die Hunde zu gehen, wenn sie ihre Zukunft genommen bekommt.
Do 02.09. | Luru Open-Air |
22 Uhr | regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€ im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€ |