



GE/IT/FR 2024, R: Dea Kulumbegashvili, D: Ia Sukhitashvili, Kakha Kintsurashvili, Merab Ninidze, 134’, OmeU, DCP
Nach dem Tod eines Neugeborenen gerät die Gynäkologin Nina, die in einem georgischen Krankenhaus nahe des Kaukasus arbeitet, ins Visier von Ermittlungsbehörden und der dortigen konservativen Gesellschaft. Durch ihre zusätzlichen Besuche in umliegenden Bauerndörfern und die Durchführung heimlicher Schwangerschaftsabbrüche steht bald Ninas gesamte Existenz auf dem Spiel – in einem repressiven System, das weibliche Autonomie verstärkt einschränkt und sanktioniert. So wird ihr unerschütterlich stoisches Engagement für die reproduktive Selbstbestimmung von Frauen zunehmend zu einem beruflichen wie persönlichen Risiko.
Regisseurin Dea Kulumbegashvili erzählt in kontemplativem Tempo, langen Einstellungen mit reduzierter Ausstattung und einer fast monochromen Farbpalette ein kraftvolles, visuell strenges Drama. In der nüchternen kinematografischen Bildgestaltung liegt gleichzeitig eine wunderschöne Poetik wie eine enorme Wucht, die Raum gibt für die stille Widerständigkeit und zugleich eindrücklich die Ausweglosigkeit der gezeigten Lebensrealität unterstreicht.
| So 13 Sept 2025 | Luru Kino in der Spinnerei |
| 16 Uhr | € 7,50 (6,50 ermäßigt) |
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BE/LU/IT/FR 2025, R: Hélène Cattet, Bruno Forzani, D: Fabio Testi, Yannick Renier, Maria de Medeiros, 87’, OmeU, DCP
Ein gealterter Spion, ein mondänes Hotel an der Côte d’Azur, ein rätselhaftes Verschwinden: REFLECTION IN A DEAD DIAMOND ist ein psychedelisches Agentenlabyrinth, das den Eurospy der 1960er in seine schillernden Bestandteile zerlegt. In einem Zimmer voller Schatten und Spiegel blickt John D. in einen Abgrund aus Vergangenem und Eingebildetem. Einst war er Agent im Dienst des Glamours, heute ist er nur noch ein müder Zeuge seiner eigenen Legende. Was als nostalgisches Wiedersehen mit der eigenen Geschichte beginnt, zerfällt zusehends in ein kaleidoskopisches Puzzle aus Sinneseindrücken, Rückblenden, Illusionen.
Cattet und Forzani, bekannt für ihre stilistisch radikalen Arbeiten (AMER, LAISSEZ BRONZER LES CADAVRES), führen ihr Kino des Exzesses fort: hyperstilisiert, fragmentiert, hypnotisch. Mit opulenter Retro-Ästhetik, nervösem Schnitt und suggestivem Soundtrack beschwört der Film eine Ära herauf, die es so nie gab – oder längst verschwunden ist. Die Spionage wird zum Spiegel innerer Leere, der Diamant reflektiert nur noch Trugbilder. Ein sinnliches, formstrenges Vexierspiel über Identität, Erinnerung und die Illusion von Kontrolle – zwischen Bond- Pastiche, Pop-Art und paranoider Innenwelt.
| Sa 13 Sept 2025 | Luru Kino in der Spinnerei |
| 22:00 Uhr | € 7,50 (6,50 ermäßigt) |
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Personalie | SABINE HERPICH










DE 2024, R: Sabine Herpich, 109’, OmeU, DCP
Zu Filmbeginn sehen wir die Chamberpop-Musikerin Barbara Morgernstern von schräg hinten, wie sie am Laptop an der Demoversion eines neuen Songs arbeitet. Dann dreht sie sich, bevor sie zum Mikrofon greift, mit breitem Grinsen zur Kamera um und spricht die Filmemacherin direkt an: „Weißt du, was ich intuitiv merke?! Ich habe das Bedürfnis, mich dir zu erklären, was ich mache. Aber das mache ich jetzt einfach nicht“, worauf Sabine Herpich halb lachend erwidert: „Musst du nicht machen.“
Ein programmatischer Beginn: BARBARA MORGEN-STERN UND DIE LIEBE ZUR SACHE ist kein Fly-on-the-wall-Film, der aus Immersionsdrang die Anwesenheit der Kamera und des Tonaufnahmegeräts zu verschleiern versucht, auch keine „teilnehmende Beobachtung“, die semidistanziert Bilder und Töne registriert, um sie später in neue Ordnung zu montieren. Vielmehr sehen wir einen anteilnehmenden, die Protagonistin an der Erzählweise teilhaben lassenden und ohne Talking Heads angelegten Dialog: Es ist ein gleichberechtigter Austausch zwischen kreativen Menschen, deren Arbeit für andere bis zum Endresultat in der Regel unsichtbar bleibt. Statt diese Arbeit zum Drama zu stilisieren, sehen wir lange Einstellungsfolgen in der „nackten“ Logik einer Albumentstehung. Was dabei zutage tritt, konfrontiert Herpich, wie sie im Interview beim DOK Leipzig sagte, nicht zuletzt mit dem eigenen Schaffen, etwa wenn Kostenkalkulationen in einer Exceltabelle erstellt werden.
| Sa 12 Sept 2025 | Luru Kino |
| 20:00 Uhr | € 7,5 (6,5 ermäßigt) In Anwesenheit von Sabine Herpich |
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Personalie | SABINE HERPICH







DE 2016, R: Sabine Herpich, 81’, dt. OV, DCP
Eine schön verkramte Werkstatt in Berlin: Hier stellt David, ein seit über dreißig Jahren in Deutschland lebender Israeli und ehemaliger Profisportler, selbstentworfene Schuhe her. Urlaub hat er schon ewig nicht mehr gemacht, schlicht zu unsicher, wegen der schwer planbaren Kundschaft, berichtet er der aus dem Off fragenden Filmemacherin und Kamerafrau Herpich. Um die eintausend Schuhe werden wohl über die Jahre zusammengekommen sein, die er ganz in Handarbeit allein fertigte. Wenn der Schuster nicht gerade Leder, Nägel und Holzklötzchen in der Hand hat, widmet er sich seinen Skulpturen, die überall verstreut in der Werkstatt herumstehen. Früher waren es stets Stiere, die David in Bronze goss – und denen man gar im öffentlichen Raum Berlins begegnen kann. Über die Jahre hinweg entfernte er sich jedoch mehr und mehr vom Naturvorbild; heute ist er bei geschwungenen, in sich verdrehten Formen angelangt, die nichts Konkretes mehr abbilden, nur noch sich selbst ausdrücken.
Herpichs intimes, wie stets in ihrem Werk ohne musikalische Untermalung ruhig voranschreitendes Künstlerporträt forciert zu keiner Stelle Bedeutungen, die Kamera schaut in Ruhe zu, wie David seinen kreativen Tätigkeiten nachgeht. Manchmal erzählt der wortkarge Mann etwas über seine Motivationen und seine schwierige, von gleich mehreren Kriegen geprägte Biografie, doch in der Regel sprechen hier die Formen und Materialien.
| Sa 12 Sept 2025 | Luru Kino |
| 18:00 Uhr | € 7,5 (6,5 ermäßigt) In Anwesenheit von Sabine Herpich Einführungsvortrag von Filmwissenschaftlerin Friederike Horstmann |
Personalie | SABINE HERPICH

Wie etwas entsteht – Sabine Herpichs Filme zu künstlerischer Arbeit
Unsere diesjährige Personalie ist der deutschen Dokumentaristin und Cutterin Sabine Herpich (*1973) gewidmet. Ihre kurz- und mittellangen sowie abendfüllenden Filme waren zu Gast auf bekannten Festivals mit dokumentarischem Fokus wie dem Berlinale Forum, dem DOK Leipzig und der Duisburger Filmwoche, über sie wurde bereits auf Mubi Notebook geschrieben – und doch laufen ihre fast ausnahmslos aus eigenen Mitteln produzierten Arbeiten bislang für ein breiteres Kinopublikum unter dem Radar. Dabei sind Herpichs Filme, die in ihren Worten „nebenbei, ohne Zeit- und Erfolgsdruck und fast immer ohne Geld“ entstanden, allesamt bestechend gradlinig in Szene gesetzt, zugewandt und seit ihrem DAVID von einem Thema bestimmt, das viele von uns im Alltag begleitet: Vom Bedürfnis, etwas zu gestalten, das mit einem oder einer selbst zu tun hat, von Kreativität und ihren (steinigen) Wegen.
Herpichs sanfte, einzelne Individuen begleitende und dabei zurückhaltend-beobachtende Studien lassen sich als ein Zyklus, als Werkgruppe begreifen, die sich künstlerischer Arbeit sowie künstlerisch tätigen Menschen widmet. Die Filme tun dies ohne erläuterndes Voice-over und mit nur spärlich gesäten, von spontaner Neugier geleiteten Fragen, die Herpich hinter ihrer selbst geführten Kamera stellt. Ihren Filmen fehlt schlicht eine für Fernsehreportagen typische Erzählstimme, die uns etwas „erklärt“. Demgegenüber geht es darum, gemeinsam etwas zu entdecken, einen Vorgang zunächst sinnlich zu erfassen – sei es nun die Herstellung und Beschaffenheit von abstrakten Skulpturen eines Schusters (DAVID), der Prozess des wochenlangen Auftragens von Farbe bei einem Bild in Schichtmalweise (AN IMAGE OF ALEKSANDER GUDALO), die Blei- und Buntstiftstriche, die sich irgendwann zu einem Werk voller Details und überschäumender Fantasie zusammensetzen (ART COMES FROM THE BEAK THE WAY IT HAS GROWN) oder das langwierige Tüfteln, das die Arbeit Während konventionelle Reportagen die Zeit, die solche Werkentstehungen benötigt, zusammenstutzen, können wir uns bei Herpichs Dokumentarfilmen in Ruhe und ohne auktoriale Anleitung in solche Prozesse einsehen und einhören. So überträgt sich etwa die sanfte Ruhe, die in der Kunstwerkstatt Mosaik herrscht, unmittelbar aufs Publikum. ART COMES FROM THE BEAK THE WAY IT HAS GROWN porträtiert an diesem Ort Künstler:innen mit geistiger Behinderung, die unter Hilfestellung von Werkstattsmitarbeiter:innen ihre Fantasie aufs Papier bringen. Der Film kondensiert dabei nicht weniger als Herpichs Sicht auf Kunst und ihre Entstehung: Es geht ihr mit ihren Filmen nicht um ein Verstehen im herkömmlichen Sinne, sondern darum, etwas davon, was Außenstehende nie ganz (be-)greifen können, Kreativität nämlich – wann sie fließt und wann sie auch mal ins Stocken gerät – aufzuschnappen und zu konservieren.
Ergänzt wird die Werkschau um die Deutschlandpremiere ihrer neuesten Miniatur TASTENDER BLICK, bei der eine blinde Kulturvermittlerin bei ihrer Arbeit begleitet wird. Darüber hinaus bringen wir den Zyklus mit einem historischen Dokumentar- und Essayfilm in Dialog, der für die Filmemacherin mit Blick auf ihre Filme zu schöpferischen Schaffensprozessen wichtig ist – und zugleich von einem „Säulenheiligen“ des GEGEN-kinos gedreht wurde: mit Harun Farockis (1944–2014) Werk- und Künstlerinnenporträt AN IMAGE OF SARAH SCHUMANN. Neben Sabine Herpich, die an beiden Tagen anwesend ist, haben wir die Kunst- und Filmwissenschaftlerin Friederike Horstmann zu Gast. Horstmann lehrt, forscht und schreibt zu Kunst und Kino. Seit 2020 unterrichtet sie Filmgeschichte an der Deutschen Film- und Fernsehakademie und hat seit 2024 eine Gastdozentur am filmwissenschaftlichen Seminar der FU Berlin. Am Eröffnungsabend gibt sie eine Lecture zu Herpichs besonderem (Film-)Blick auf Kunst und künstlerische Arbeitsprozesse.
| Sa 13.09.25 Luru Kino | |
18:00 Uhr | DAVID DE 2016, R: Sabine Herpich, 81’, dt. OV, DCP Vortrag von Friederike Horstmann In Anwesenheit von Sabine Herpich |
20:00 Uhr | BARBARA MORGENSTERN UND DIE LIEBE ZUR SACHE DE 2024, R: Sabine Herpich, 109’, OmeU, DCP In Anwesenheit von Sabine Herpich |
| So 14.09.25 Luru Kino | |
| 19:00 Uhr | ULRIKE DAM SCHREIBT DE 2020, R: Sabine Herpich, 13’, dt. OV, DCP EIN BILD VON ALEKSANDER GUDALO DE 2018, R: Sabine Herpich, 45’, dt. OV,DCP EIN BILD VON SARAH SCHUMANN DE 1978, R: Harun Farocki, 30’, OmeU,DCP In Anwesenheit von Sabine Herpich |
| 21:00 Uhr | KUNST KOMMT AUS DEM SCHNABEL WIE ER GEWACHSEN IST DE 2020, R: Sabine Herpich, 106’, OmeU, DCP TASTENDER BLICK AT/DE 2024, R: Sabine Herpich, Gregor Stadlober, 39’, dt. OV, DCP mit Audiodeskription, Deutsche Premiere In Anwesenheit von Sabine Herpich |