Retrospektive | ANIMAL REALITIES
NOHOI ORON / STATE OF DOGS
BE/MN 1998, R: Peter Brosens, Dorjkhandyn Turmunkh, Dok, 91’, OmeU, 35mm
Basaar wird als verwahrloster Straßenhund in den staubigen Gassen Ulaanbaatars von einem Hundejäger getötet. Eigentlich wäre es seine Bestimmung als Mensch wiedergeboren zu werden, doch Basaar verweigert sich diesem Schicksal und führt uns in seinen Erinnerungen in die Steppe der Mongolei, in der er als Teil einer nomadischen Gemeinschaft mit den Herden lebte, bis es ihn in die Großstadt verschlug. In ihrer Dog-Doku-Fiktion STATE OF DOGS vereinen der belgische Filmemacher Peter Brosens und sein mongolischer Kollege Dorjkhandyn Turmunkh auf beeindruckende Weise postsozialistische Realitäten mit Folklore und Mystik mit Ethnografie.
VREMENA GODA / SEASONS OF THE YEAR
SU 1975, R: Artavazd Peleshian, Dok, 29’, ohne Dialog, DCP
In der Armenischen Sozialistischen Sowjetrepublik, Mitte der Siebziger: Ein Schäfer ist einem seiner Tiere in die Fluten hinterher gesprungen. Riesige Heuballen werden steile Wiesen hinunter gejagt. Eine Hochzeit wird gefeiert. Die Jahres-zeiten wechseln. Im Schnee rutschen die letzten Tiere zusammen mit den Hirten den Hang hinab. Alltägliche Szenen in Schwarz-Weiß, mal feierlich entrückt – in einen Vivaldi-Score getaucht – mal unmittelbar und nah, fast rau. Mit virtuoser Montage und visueller Kraft entfaltet sich dieses eindrückliche Porträt SEASONS OF THE YEAR voll Poesie und Pathos.
Fr 8. Sept | ANIMAL REALITIES Luru Kino in der Spinnerei |
22:00 Uhr | € 6,5 (5,5 erm./red.) |
Retrospektive | ANIMAL REALITIES
2010-2022, DE, R: Neozoon, 80′, OV
NEOZOON KURZFILM PROGRAMM
Das seit 2009 enorm umtriebige Künstlerinnen-Duo NEOZOON präsentiert eine Auswahl an Kurzfilmen und Videoarbeiten, die das Verhältnis Mensch-Tier und die Rolle von Bildproduktion in diesem reflektieren. Die Beiden greifen meist auf gefundenes Material aus dem Internet zurück, welches sie mit einer häufig enorm rhythmisierenden Montage on point neu arrangieren. Dabei spielen das Posieren (und sich Aufgeilen) nach erfolgreicher Jagd ebenso eine Rolle, wie der Konsum von Tierkörpern und das milliardenschwere Clip-Archiv putziger Kleintiere und ihrer „Besitzer:innen“. NEOZOON gehen den ideologischen Strukturen auf den Grund, die es ermöglichen, Hierarchisierungen für den Wert von Lebewesen aufrechtzuerhalten und thematisieren kapitalistische Ausbeutung, religiösen Wahn und neoliberale Körpernormierungen in Beziehung zu nicht-menschlichen Tieren. Im Dickicht der hypertrophierenden Bildwelten sozialer Medienplattformen spüren sie die Fragilitäten anthropozentrischer Selbstbilder auf, zerlegen diese und setzen sie in subversiv-irritierende Arrangements wieder zusammen. Oder sie intervenieren im öffentlichen Raum, etwa durch die fiktionalen Manteltiere – augenlos und an Nerzmäntel erinnernd –, welche sie in den Münsteraner Zoo platzierten, um die Reaktionen der Besucher:innen darauf zu filmen.
Programm:
DAS MANTELTIER (2010, 3 min
GOOD BOY – BAD BOY (2011, 3 min)
BUCK FEVER (2012, 6 min)
UNBOXING EDEN (2013, 5 min)
MY BBY 8L3W (2014, 3 min)
SHAKE SHAKE SHAKE (2016, 4 min)
CALL OF THE WILD (2017, 4 min)
LOVE GOES THROUGH THE STOMACH (2017, 15 min)
LITTLE LOWER THAN THE ANGELS (2019, 13 min)
BITING THE DUST (2021, 13 min)
LAKE OF FIRE (2022, 11 min)
Fr 8. Sept | Luru Kino in der Spinnerei |
20:00 Uhr | In Anwesenheit von NEOZOON Q&A nach der Vorführung € 6,5 (5,5 erm./red.) |
Retrospektive | ANIMAL REALITIES
UN ANIMAL, DES ANIMAUX
FR 1995, R: Nicolas Philibert, 59′, Dok, OmeU, DCP
Vorschlaghämmer zerbersten Glasvitrinen, Schaufelbagger graben sich durchs Erdreich, Arbeiter:innen legen das Stahlgerippe eines gigantischen Gebäudes frei. Derweil werden Flügel drapiert, Pfoten fixiert, Wirbel arrangiert. Die Plastikaugen der Exponate halten den Blick, der sie trifft. Der renommierte Dokumentarist Nicolas Philibert begleitete von 1991 bis 1994 die Renovierung und Wiedereröffnung der Zoologischen Galerie des Nationalmuseums für Naturgeschichte in Paris. Getragen wird das Porträt auch von der Hingabe der Menschen, die sich dem musealen Ausstellen von präparierter Natur verschrieben haben. Die Kamera wohnt ihrer Detailliebe und ihren Präzisionen unaufdringlich bei. Der Schnitt ordnet die Beobachtungspartikel neu. Der Soundtrack formt Atmosphärisches. Die Kinoleinwand wird zur Vitrine. Ein Dokumentarfilm als Übung in Taxidermie.
NO ANIMAL
DE 2022, R: Christoph Girardet, Matthias Müller, 21‘, ohne Dialog, DCP
Der aus kurzen Ausschnitten fiktionaler Werke entstandene NO ANIMAL ist weniger ein Statement über die Essenz des Tieres in der Kinogeschichte, als vielmehr ein stilvoll komponiertes Experiment über filmischen Raum, Bewegung, Stimmung, Farben, Rhythmus und Affekte. Bis am Ende der Tod ins Spiel kommt und die Fiktion nicht mehr für alle Beteiligten der Garant der Unversehrtheit ist.
GELIEBT
DE 2010, R: Jan Soldat, 15‘, Dok, OmeU, DCP
Jan Soldat trifft Männer und spricht mit ihnen vor der Kamera. Mit dabei in GELIEBT: zwei Hunde. 16mm-Material war nur für knapp 50 Minuten da. Wie damit erzählen von der Liebesbeziehung zu den Tieren? Welchen Raum kann Intimität dabei einnehmen? Was bedeutet es als Porträtierter, sich zu zeigen? Welche Rolle spielt für die Zuschauenden der Ort Kino, in dem der Film ausschließlich zu sehen ist?
Fr 8 Sept | ANIMAL REALITIES Luru Kino in der Spinnerei |
18:00 Uhr | € 6,5 (5,5 erm./red.) |
Retrospektive | ANIMAL REALITIES
ANIMAL REALITIES
Tierdokumentarfilme von den 1940ern bis heute
Wir feiern die Tierwelt, alles was kreucht und fleucht und begeben uns auf keine leichte Spurensuche hinein in die tierischen Gefilde des Dokumentarfilms. Wie werden unsere Gefährten zu Land, in Gewässern und in den Lüften im dokumentarischen Film behandelt, wie werden sie gezeigt? In welcher Beziehung stehen wir als Menschen, aber auch als Zuschauende im Kino zu einer Lebensrealität, die uns täglich umgibt, mit der wir koexistieren? Einerseits ähneln wir den Tieren, spiegeln uns in ihnen oder sind ihnen nah, dann wiederum bleiben sie unbekannt und geheimnisvoll – ganz selbstverständlich ziehen wir immer wieder unseren Nutzen aus ihnen. Sie sind Nutzvieh, Kreatur, Bestie, Attraktion oder Freund:in. Der Tierdokumentarfilm bietet dabei ein weites Spannungsfeld, auf dem sich Filmemacher:innen seit jeher immer wieder bewegen und unser Verhältnis zum Tier reflektieren und ausloten. Nehmen wir uns die Zeit, die Tiere anzuschauen, genauer hinzuschauen und mit ihnen einige schöne Stunden zu verbringen – mit den Lebewesen, mit denen wir uns unseren Planeten teilen.
Unsere Auswahl versammelt internationale Kurz- und Langfilme, essayistische Arbeiten und semidokumentarische Mischformen von den 1940er Jahren bis hin zu aktuellen Positionen. Mit besonderer stilistischer wie ästhetischer Präzision gewähren sie unbekannte oder ungewöhnliche Einblicke auf und in die Welt der Tiere, die über das reine Informieren, wie wir es von klassischen, erklärenden Tierdokumentationen kennen, weit hinausführen. Wir tauchen ein in die ökologischen und politischen Verschränkungen der Habitate von Tier und Mensch, erspähen die feinen Machtgefälle und brutalen Ausbeutungsmaschinerien des Menschen gegenüber der Tierwelt, spüren das Zusammenleben mit und die Faszination und Fürsorge für die Vielfalt anderer Lebewesen auf, jagen aktivistisch-politischen Kämpfen hinterher und kriechen hinein in mythologische Aufladungen und Geheimnisse. Mal poetisch-sinnlich, mal gewaltig-brutal, oder beides zusammen, orientieren sich die Filme immer an der Wahrhaftigkeit zweier Welten, die – betrachten wir sie nicht so stark getrennt voneinander – eine immense Dynamik aufweisen, sowie eine rettende Verbundenheit schaffen können.
08.09.23 Luru Kino 18 Uhr | UN ANIMAL, DES ANIMAUX BE/NL/CD 2023, R: Baloji, D: Marc Zinga, Lucie Debay, Eliane Umuhire, Yves-Marina Gnahoua, 91’, OmeU, DCP NO ANIMAL DE 2022, R: Christoph Girardet, Matthias Müller, 21‘, ohne Dialog, DCP GELIEBT DE 2010, R: Jan Soldat, 15‘, Dok, OmeU, DCP |
22 Uhr | STATE OF DOGS BE/MN 1998, R: Peter Brosens, Dorjkhandyn Turmunkh, Dok, 91‘, Engl. Version mit eUT, 35mm SEASONS OF THE YEAR SU 1975, R: Artavazd Peleshian, Dok, 29’, ohne Dialog, DCP |
12.09.23 Luru Kino 21 Uhr | PRIMATE US 1974, R: Frederick Wiseman, Dok, 105‘, engl. OV, 16mm |
16.09.23 Schaubühne Lindenfels 18 Uhr | LE SANG DES BÊTES FR 1949, R: Georges Franju, Dok, 23’, OmeU, DCP LEVIATHAN FR/UK/US 2012, R: Lucien Castaing-Taylor, Véréna Paraval, Dok, 87’, engl. OV mit dt. UT, DCP |
19.09.23 Luru Kino 17 Uhr | ALL THAT BREATHES UK/IN/US 2022, R: Shaunak Sen, Dok, 97’, OmeU, DCP |
19 Uhr | IT IS NIGHT IN AMERICA BR/FR/IT 2022, R: Ana Vaz, Dok, 66‘, OmeU, DCP {IF YOUR BAIT CAN SING, THE WILD ONE WILL COME LIKE SHADOWS THROUGH LEAVE} SG/FI 2021, R: The Migrant Ecologies Project (Konzept: Lucy Davis), Dok, 28‘, OmeU, DCP |
Special | MILIEU-KINO
BABYLON
UK 1980, R: Franco Rosso, D: Brinsley Forde, Trevor Laird, Karl Howman, 95’, englische OV, 35mm
Im Stadtteilpark Rabet präsentieren wir am 08.09. BABYLON von Franco Rosso. Protagonist ist der Junge Blue mit seinem unbändigen Wunsch, sich als Dancehall-DJ in der Londoner Reggae-Kultur einen Namen zu machen. Mit seiner Ital Lion Crew kämpft er erbittert gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit von Arbeitgeber:innen, Nachbar:innen, Polizei und der Nationalen Front. Die mobilen Discotheken mit ihren riesigen Lautsprechern waren im London der späten 70er auf den Straßen, in Clubs und auf öffentlichen Veranstaltungen pulsierende Botschafter der Reggae-Musik. Die Szene war Sprachrohr für soziale Anliegen und politische Botschaften und die Soundsysteme fungierten als „Schlüsselinstitutionen“ für die Verbreitung afro-karibischer Musik, der bis weit in die 80er Jahre hinein der Weg in die öffentlichen Radiostationen versperrt war.
Fr 8. Sept | MILIEU-KINO Stadtteilpark Rabet |
15:00 Uhr 17:00 Uhr | € Eintritt gegen Spende Wiederholung |