MIKA TAANILA | The Future Is Not What It Used To Be / Return Of The Atom (FIN D 2015)

Okay, let’s complete the programme of our MIKA TAANILA hommage with the last two items.
On the last day of our festival we will have the German premiere of “Return of the Atom“ – one Taanila’s most recent films. In this documentary, Taanila covers the on-going construction of the nuclear power plant Olkiluoto in Southern Finland and the proccesses of change that it brings with it, on a larger ecological as well as on the level of the individuals in the region—geo-political processes like these will be of great interest in the rest of GEGENkino’s 2017 programme as well, as you will soon see. You can watch a teaser to “Return of the Atom“ over at The Wire magazine‘s vimeo channel. Before “Return of the Atom“, which will conclude GEGENkino 2017, we will have another short film programme. The “The Future Is Not What It Used To Be“ entitled programme is partly also Taanila’s tribute to Finnish electroacoustics weirdo Erkki Kurenniemi and will give you a chance to see some more of Taanila’s unique linking of technology, science and art. Fortunately, we will have the opportunity to see some of Taanila’s films from analog film rolls (16mm & 35mm), thanks to UT Connewitz being well equipped for this.

Get more information about the films below… and don’t forget about the other two days of our MIKA TAANILA hommage:

14 April 2017, Luru-Kino in der Spinnerei: “Futuro“ short film reel & Mannerlatta (Tectonic Plate) + The Sad Song of Hard-Edged Transition Wipe Markers

15 April 2017, UT Connewitz: CIRCLE + Mika Taanila — SSEENNSSEESS


Kurzfilmrolle II

The Future Is Not What It Used to Be

The Zone of Total Eclipse

FIN 2006, 6’, ohne Dialog, 2 x 16 mm

A Physical Ring

FIN 2002, 4’, ohne Dialog, 35mm

Future Is Not What It Used To Be

FIN 2002, 52’, OmeU, 35mm

Spindrift

FIN 1966/2013, 14’, OmeU, 35mm

The Future Is Not What It Used to Be (Tulevaisuus ei ole entisensä) liefert nicht nur den schönste Filmtitel des diesjährigen Festivals, sondern vor allem ein Porträt des 1941 geborenen, obsessiven Elektronikmusikpioniers, Futurologen, Programmierers und überhaupt Allround-Genies Erkki Kurenniemi. Der begnadete Tüftler schmiss in den 1960ern sein Physikstudium, um elektronische Musikgeräte wie das Sexofon (!) zu basteln, auf dem mehrere Leute durch gegenseitiges Berühren Töne erzeugen konnten. Kurenniemi glaubte, eine virtuelle Menschheit werde sich ins All absetzen und die Erde nur noch als „Museumsplanet“ weiterexistieren. Trotzdem hält er sein Leben obsessiv in Wort und Bild fest, da künftigen Generationen kein anderer Zeitvertreib bleiben werde, als die Vergangenheit – unsere Gegenwart – zu rekonstruieren. Genau dies macht Taanila und beim Blick zurück in die Vergangenheit kann man unschwer die prophetische Vorwegnahme unseres Informationszeitalters erkennen. Spindrift ist Taanilas Versuch, Kurenniemis einzigen vollendeten Film – Finnlands erste Computeranimation – zu rekonstruieren. Kurenniemi konnte ihm dabei nicht helfen, da bei ihm aufgrund exzessiven LSD-Genusses riesige Erinnerungslücken klafften. The Zone of Total Eclipse ist eine 16mm-Doppelprojektion, basierend auf den Materialien eines misslungenen Versuchs, die exakte Distanz zwischen zwei Kontinenten durch das Filmen einer Sonnenfinsternis zu vermessen.

16. April, 20 Uhr – Luru Kino in der Spinnerei


Return of The Atom

FIN, D 2015, 105’, Dok, R: Mika Taanial & Jussi Eerola, OmeU, BluRay Deutschlandpremiere

Als dokumentarische Langzeitstudie beobachtet Return of the Atom über einen Zeitraum von 11 Jahren hinweg das merkwürdige und stressbehaftete nukleare Comeback in der finnischen Provinz, in der es so gut wie keine Anti-Atomkraft-Bewegung gibt. 2004 halten dort Superlative Einzug: der Bau des weltweit effizientesten Atomkraftwerks auf der größten Baustelle Europas und zugleich der erste westeuropäische Neubau nach dem Tschernobyl-GAU versetzt eine kleine Gemeinde in Aufruhr. Eurajoki – „die Stadt mit elektrischer Vitalität“ – verspricht auch das Willkommensschild am Straßenrand. Bereits 2009 sollte der Reaktor Strom liefern, doch seitdem wurde die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Olkiluoto 3 (OL3) mehrfach verschoben und für 2018 in Aussicht gestellt. Wenn Taanila und Jussi Eerola nicht mit unbekümmerten PR-Leuten und dem Baustellen-Geistlichen sprechen, der die Arbeiter mit Jesus’ Eltern vergleicht, treffen sie die wenigen Leute, die ihre Zweifel äußern und ihre Stimme erheben. Trotz zahlreicher Leukämiefälle und der bedenklichen Seismologie des Gebiets und trotz der Verdreifachung der Kosten seit Baubeginn – mittlerweile ereignete sich woanders auch die Fukushima-Katastrophe – votierte die finnische Regierung für die Errichtung eines weiteren Reaktors.

https://vimeo.com/137461009

16. April, 20 Uhr – Luru Kino in der Spinnerei

MIKA TAANILA | Short film reel I: Futuro / Mannerlatta (FIN 2016)

In order for you to have enough time to get yourself in mental shape for our tribute to MIKA TAANILA at GEGENkino2017, here’s already another notification:

On Friday, April 14, we will show a selection of Taanila’s (retro) futurist short films, that revolve around the theme of technology—be it scientific technology or technologies of the self, like sports—and where we will even embark on 3D cinema, for the first time at Luru-Kino in der Spinnerei. After that, we will show Taanila’s two techno-symphonies The Sad Song of Hard-Edged Transition Wipe Markers  & Mannerlatta (Tectonic Plate), the last of which was made using almost entirely xerox copying images.

Read more about all the films below.

…and don’t forget about the rest of our MIKA TAANILA hommage: CIRCLE + Mika Taanila — SSEENNSSEESS (15 April 2017, UT Connewitz) & the third part, which will be revelaed soon.


Kurzfilmrolle I

Futuro

Futuro – A New Stance for Tomorrow (FIN 1998, 28’, OV/English subtitles, 35mm)

RoboCup99 (FIN 2000, 25’, OV/English subtitles , 35mm)

Six Day Run (FIN 2013, 15’, OV/English subtitles, DCP)

Optical Sound (FIN 2005, 6’, no dialogue, 35mm),

Delay of Game (FIN 2017, 6’, no dialogue, 3D, file)

Die ambitionierte Utopie der menschgemachten, autonomen Maschine fand 1999 in Stockholm eine irrwitzige Umsetzung als Fussball-Roboter, dessen sehr speziellem sportlichen Genie Taanila in RoboCup99 ein wohlverdientes Denkmal setzt. Six Day Run entstand während des Sechstagelaufs „Self-Transcendence Six Day Race“ – dem härtesten Wettbewerb seiner Art. Film und Protagonist – der Extremlauf-Superstar Ashprihanal Pekka Aalto – transzendieren sich gleichermaßen, streifen ihre schnöde Körperlichkeit ab, gehen im reinen Geist der Bewegung auf. Als 3D-Animation greift Delay of Game ein nächtliches Eishockeymatch auf: „On Thursday, January 14th, 1954 the weather in Helsinki was mild, only minus two degrees celcius.“

14. April 20Uhr – Luru Kino in der Spinnerei


In Anwesenheit des Regisseurs Mika Taanila.

Mannerlatta (Tectonic Plate)

FIN 2016, 74’, OmeU, DCP

The Sad Song of Hard-Edged Transition Wipe Markers

FIN 2017, 4’, ohne Dialog, File

Auf dem Rückweg von einer Geschäftsreise nach Tokyo bleibt ein namenloser Protagonist auf unerklärliche Weise in einem Hotel in der Nähe des Flughafens von Helsinki stecken. Doch nicht nur physisch kommt er nicht vom Fleck, er steckt auch in einer Multitasking-Endlosschleife, seine Konzentration zerschnitten, seine Handlungen ständig in verschiedenste Richtungen gleichzeitig gerichtet. Telefone, Computer und Herzfrequenzanzeigen fordern seine Aufmerksamkeit ein, sein Bewusstsein wird verändert, sein Zeitgefühl löst sich auf. Mannerlaatta, ein Film über Flugangst, Sicherheitskontrollen und Zeitzonen, funktioniert ohne Kameraaufnahmen. Taanila produzierte die Bilder mit Fotogramm-Technik und per Fotokopie: Objekte wurden direkt auf 35-mm-Umkehrfilm belichtet und Flugsicherheitsbroschüren mit dem Fotokopierer auf Klarfilm gedruckt. Das Resultat ist eine geradezu körperlose filmische Qualität, die den um sich selbst kreisenden inneren Monolog des im Mahlstrom von Gedanken und Bildern gefangenen Protagonisten ästhetisch spiegelt; komplettiert durch einen Soundtrack des Pioniers elektronischer Musik Mika Vainio’s. The Sad Song of Hard-Edged Transition Wipe Markers steht in der Tradiotion früher abstrakter Rhythmusexperimente eines Hans Richter. Allein Taanila montiert seine visuelle Symphonie aus Umschaltsignalen, die einst die Sequenzwechsel im TV in der rechten, oberen Bildecke anzeigten.

14. April, 22Uhr – Luru Kino in der Spinnerei

Circle & Mika Taanila | SSEENNSSEESS

Alright, as promised, we will now start with the unveiling of this year’s GEGENkino programme… and we kick off with something big!

One part of our 2017 programme will be an extensive hommage to the still too under-appreciated Finnish artist and filmmaker MIKA TAANILA. For the occasion of this hommage, which will feature a wide and varied selection of his works, Mika Taanila will personally come to our festival and will bring with him the Finnish psych rock outfit CIRCLE for their first show in Germany in over six years and for the German premiere of their collaborative SSEENNSSEESS performance, which will combine a live show by the PHARAOH OVERLORD offspring and a triple 16mm projection by Taanila. Instead of an opening band, we will show the film HERMAFRODIITIT feat. music and footage of Taanila’s former post-punk band SWISSAIR. Read about the interesting history of this film and Taanila early post-punk endeavours over at N&B RESEARCH DIGEST, and find out more about the event below or at the FB event page.

15 April 2017, 9pm – UT Connewitz


Hommage an Mika Taanila

Der 1965 geborene Finne Mika Taanila bewegt sich souverän und ungezwungen zwischen klassischem Dokumentarfilm, experimenteller Videokunst, Avantgarde, performativen Installationen und musikalischen Projekten. Mit Hilfe unterschiedlicher ästhetischer Zugänge und Strategien behandelt Taanila (nichteingelöste) Zukunftsversprechen, technologische Evolutionen und Human Engineering. Dabei geht es immer auch um die Begleitgeräusche, die diese Phänomene flankieren. So zum Beispiel im kurzen Stück Optical Sound, das die mechanischen Klänge eines ausrangierten Vierundzwanzig-Nadel-Druckers zur umwerfenden Techno-Sinfonie verdichtet – ein in seiner Widerborstigkeit perfekter Soundtrack für die Sehnsucht nach der schwerelosen Welt der Daten.

Taanilas Arbeitsweise wollen wir in der dreitägigen Hommage genauso nachgehen wie den utopischen Revisionen, die seine Filme erzählen, ob in Form eines biografischen Porträts des Atomphysiker-Elektronikinstrumentenbauer-Komponisten-Filmemacher-Programmierer-Künstlers Erkki Kurenniemi, ob als gelassener Kommentar der stolprigen Mensch-Maschinen-Begegnung beim RoboCup-Turnier oder als optimistische Vermessung des elliptischen Futuro-Hauses und seiner genauso wechselreichen Geschichte als Prototyp eines modernen, massenproduzierten Plastikwohnhauses. Was diese, doch sehr unterschiedlichen Werke eint, ist das Thema des Verschwindens, Verwerfens, Vergessens, Vergessen machens. Stellvertretend hierfür steht A Physical Ringdessen Found-Footage-Materialien von einem Laborversuch stammen, von dem niemand mehr weiß, welche Erkenntnisse er eigentlich zu Tage bringen sollte.

Über Mika Taanila

Mika Taanila (*1965) studierte Anthropologie an der University of Helsinki und erhielt ein Diplom in Design von der Lathi University of Applied Science. Taanilas Filme und Installationen wurden unter anderem auf Filmfestivals in Toronto und Rotterdam sowie auf internationalen Biennalen gezeigt. 2014 kuratierte er für die Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen die Programmsektion „Film without Film“. Im Mai 2015 wurde er mit dem finnischen Ars Fennica Award ausgezeichnet.


Infos zur Veranstaltung

Deutschlandpremiere | Circle & Mika Taanila — SSEENNSSEESS

FIN 2013, 50’, ohne Dialog, Live-Musik von Circle, 2 x 16mm, 1 x File

Vorfilm: Swissair | Hermafrodiitit

FIN 1986, 22’, OmU, 2 x File

Auf einzigartige Weise verbinden die finnischen Experimental-Rockband Circle und Mika Taanila Musik und Film zu einem sinnlich, visuellen Live-Erlebnis. Angesiedelt zwischen Rock-Oper und theatraler audiovisueller Performance kombiniert die spektakuläre Show glitzernden Glamrock, improvisierten Krautrock und Chanson-Metal mit perfekt getakteten 16mm-Projektionen des Filmkünstlers. Neben ihrer musikalischen Bandbreite sind Circle vor allem für ihre zappaesken Performances bekannt: Lederuniformen stehen neben Spandexhöschen, minutiös getimte Bühnenchoreografien präsentieren Popikonogafie, Stargestus und Rockerpose als Abziehbildchen und Schablone. In SSEENNSSEESS bespielt Mika Taanila mit vier 16mm-Projektoren und einem Videobeam ein Triptychon aus drei Leinwänden. Die bewegten Bilder der Loops entstammen Wissenschaftsfilmen der frühen 1950er-Jahre, die in der Universität Helsinki entstanden sind und die Taanila bearbeitet und verfremdet hat. Verbranntes Land ist eine melancholische Ode an das Verschwinden einer vergangenen Technologie im Allgemeinen wie den eines Bildes im Besonderen: zu sehen ist in einer Split-Screen-Komposition, wie ein VHS-Bild beim Reinigen verschwindet, Durchlauf für Durchlauf. Swissair versammelt Super-8-Material, das Taanila für das mit seinem Co Piloten Jari Härkönen ins Leben gerufene gleichnamige Musikprojekt drehte.

15. April, 21 Uhr – UT Connewitz – € 12 VVK / 15 AK