Hommage | Pictures Behind the Pictures – Hito Steyerl

Nach der Harun-Farocki-Hommage im vergangenen Jahr widmen wir uns dieses Jahr der Filmemacherin Hito Steyerl.

Bilder hinter den Bildern – Hito Steyerl

Einführung durch Florian Mundhenke (Juniorprofessor für Mediale Hybride, Universität Leipzig)

„In einer Zeit, in der der Zusammenhang der Bilder mit den Dingen fragwürdig geworden ist, steht das Dokumentarische unter Generalverdacht.“ Diesem von ihr selbst festgestellten Verdacht geht Hito Steyerl unter anderem in ihren essayistischen Arbeiten nach. Bilder, die ideologisch verformt werden, interessieren sie dabei genauso wie solche, die global zirkulieren oder gänzlich verloren gegangen sind.
Ausgehend von Steyerls Freundinnenschaft zu Andrea Wolf (alias Sehît Rohanî) untersuchen November und Abstract  ein politisches Engagement, das zunächst in gemeinsam auf Super8 gedrehten feministischen Martial-Arts-Streifen seinen Ausdruck fand. Wolf setzte ihren Kampf später für die PKK fort und wurde zur Revolutionärin und Märtyrerin stilisiert. Lovely Andrea schildert die Suche Steyerls nach einem tatsächlich 1987 in Tokyo aufgenommenen Bondage-Foto, das sie selbst als Bottom bei Nawa Shibari zeigt. Free Fall verflicht in Motiv- und Geschichtszyklen Technikgeschichte mit irrwitzigen Rekursionen. Mit Howard Hughes’ Hells-Angels-Luftkriegs-Actionfilm-Stunts im Crash-Jahr 1929 setzen Lebens- und Liebeszyklen ein: von Hughes’ Airline TWA, die ihre Boeings der israelischen Luftwaffe verkauft, über deren Einsatz bei der Geiselbefreiung in Entebbe 1976, weiter zu Spielfilmversionen dieser Aktion bis schließlich hin zum Nachleben der Jets als Airforce-Museumskino oder Stuntkulisse.

November (2004, 25’) (engl. OmdU)
Lovely Andrea (2007, 29’) (jap. OmeU)
In Free Fall (2010, 32’) (dt./engl. OmeU)

19. April, 20 Uhr – Luru-Kino in der Spinnerei – € 6/5 (erm.)

The Tribe (UKR 2014, Myroslav Slaboshpytskiy)

The Tribe

(UKR 2014, R: Myroslav Slaboshpytskiy, D: Grigoriy Fesenko, Yana Novikova, 130’, Gebärdensprache, DCP/BluRay)

Die Geschichte ist wie bei allen guten Geschichten denkbar simpel: ein Teenager kommt neu in ein Internat und muss sich in vorhandene soziale Strukturen einfügen. Regisseur Myroslav Slaboshpytskiy lässt ohne Worte nur die Körper sprechen. Und diese tun das trotz ihrer Jugendlichkeit mit beängstigender Eloquenz. Sie erzählen von Sex und Gewalt, vom Leben innerhalb der Mauern des Internats und bewegen sich dort trotzdem außerhalb gesellschaftlich respektierter Normen. Einzig mittels Gebärdensprache wird dabei kommuniziert, ohne Untertitel oder ergänzend gesprochenem Dialog. Dieser Umstand ist sowohl Konzept als auch Notwendigkeit, da die Figuren allesamt tatsächlich Gehörlose sind. Durch die Übernahme der Wahrnehmung und des Welterfahrens der Protagonisten haben die Zuschauenden teil an der Perspektive einer marginalisierten Randgruppe. Jede Miene, jede Geste erscheint dabei voll aufgeladen mit Haltung und Emotion. The Tribe schafft ein verblüffendes, über alle gewohnte Maßen hinaus stimulierendes Seherlebnis, das Aufmerksamkeit einfordert und diese dann auch besonders belohnt. In seiner radikalen Konsequenz ist der Film vielleicht wirklich etwas Neues, etwas vorher noch nicht da Gewesenes. In ruhigen, wundervoll orchestrierten Cinemascope-Tableaus folgt die Kamera unerbittlich dem Schicksal der Figuren. Ein vielschichtiges Sozialdrama, eine aufwühlende Milieustudie, ein kühner coup de cinéma.

16. April, 21 Uhr – Luru-Kino in der Spinnerei – € 6/5 (erm.)

24. April, 22 Uhr – Schaubühne Lindenfels € 6/5 (erm.)

Ein proletarisches Wintermärchen (GER 2014, Julian Radlmaier)

Ein proletarisches Wintermärchen

(D 2014, R: Julian Radlmaier, D: Natia Bakhtadze, Lars Rudolph, 63’, OmeU, BluRay)

In Anwesenheit des Regisseurs Julian Radlmaier

Den 20. April 2015 widmet das GEGENkino jungen deutschsprachigen Filmen und Filmemachern, die eine neue Ästhetiken und Darstellungsweisen gefunden haben, die sich von denen der Berliner Schule, der deutschen Filmhochschulfilme und anderer jüngerer “Bewegungen” innerhalb des deutschen Kinos radikal abhebt. Wir freuen uns deshalb den Abend mit dem Film “Ein proletarisches Wintermärchen“ von Julian Radlmaier, welcher nach dem Film auch zur Diskussion bereit stehen wird, eröffnen zu können.

Drei junge Georgier müssen im Auftrag eines Gebäudereinigungsunternehmens ein Berliner Schloss putzen, in dem am Abend die Sammlung zeitgenössischer Kunst eines deutschen Rüstungsunternehmens präsentiert werden soll. Bei diesem Anlass ist das Proletariat natürlich unerwünscht und wird in eine Dachkammer verbannt. Unten allerdings lockt ein köstliches Buffet, das ein revolutionäres Verlangen in den Bediensteten weckt. Begann die Französische Revolution nicht auch mit einem Stück Torte? Inmitten der gehobenen Gesellschaft beginnen sie schließlich gegen deren Regeln und für ein anderes Leben aufzubegehren. Ihr Widerstand speist sich aus dem Naheliegendsten: ihren Körpern. Mit ihnen trotzen sie der Last der Räume, der Gewalt klarer, herrschaftlicher Architektonik und tradierter Ordnung. Sie werden ihrer gesellschaftlichen Funktion, ihrer zugeschriebenen Rolle einfach nicht mehr gerecht. We prefer not to. Sie machen nicht mehr mit, stehen mitunter einfach nur faul herum oder machen eigentümlichen Unsinn. Mit formal präziser Raumsprache, viel Humor und einem Auge für Machtkonstellationen erzählt Ein proletarisches Wintermärchen von der oberflächlichen Fülle eines schwarzen Lochs, das kein Interesse zeigt an politischem Bewusstsein in Film und Kunst. Hier haben wir einen Film, der sich renitent weigert, von eben diesem Loch verschluckt zu werden.

20. April, 22 Uhr – Luru-Kino – 6/5 (erm.) Euro

Abuse of Weakness (F 2013, Catherine Breillat)

Abuse of Weakness

(F 2013, R: Catherine Breillat, D: Isabelle Huppert, Kool Shen, 104’, OmeU, DCP)

Catherine Breillat darf in einem Programm, das sich mit Intimitäten und weiblich-begehrlichen Perspektiven auseinandersetzt, natürlich nicht fehlen. In unserer Auswahl macht Abuse of Weakness das, was ihre kontroversen Filme meist vollbringen: er erweitert die thematische Bandbreite der Vaginale mit seiner ganz eigenen Sicht auf die Dinge. Er ist vielschichtig und autobiographisch inspiriert. Die Anti-Heldin Maud – eine starke, risikofreudige Regisseurin – erholt sich von einem Schlaganfall zu Hause. Im Fernsehen sieht sie den arroganten, charismatischen Vilko, den sie unbedingt in ihrem nächsten Film haben will. Zwischen den beiden entwickelt sich ein seltsam freundschaftliches, fortwährendes Machtspiel, das auf Kontrolle und gegenseitiger Abhängigkeit beruht. Hupperts Ganzkörperperformance ist ein unwiderstehliches Glanzstück, an deren Seite der französische Rapper Kool Shen jedoch eine nicht allzu schlechte Figur abgibt. Exquisit wird erzählt, dass das Ausnutzen einer Schwäche immer verbunden ist mit dem Ausnutzen einer Stärke. Vielleicht kann sich also sogar ein starker Charakter als Schwäche entpuppen. „The abuse of weakness is something delicious. You are very happy when it is happening to you.“ (Breillat)

24. April, 20 Uhr – Schaubühne Lindenfels – 6/5 (erm.) Euro

GEGENkino präsentiert | video art: all eyez on v

GEGENkino präsentiert Videokunst: all eyez on v

Der gesamte Ballsaal der Schaubühne Lindenfels wird sich für all eyez on v in einen Raum voller Leinwände und Screens verwandeln. Das Wort screen beinhaltet in seiner oszillierenden Doppeldeutung von abschirmen und zeigen einen wichtigen Grundzug der Ausstellung. Bis heute haben viel zu oft haben alle außer die Frauen selbst auf der Leinwand über Frauen erzählt. Sie waren von der Öffentlichkeit abgeschirmt, sie haben es immer noch oft schwer ihre Perspektiven angemessen zu platzieren. Wir sind an eben jenen anderen Perspektiven sehr interessiert! Deswegen erobern wir mit ihnen den männlich dominierten Leinwandraum zurück und präsentieren mit all eyez on v eine kuratierte Auswahl an Arbeiten, gemacht von Künstlerinnen, die unserer Aufforderung nachgekommen sind und ihre Videos eingereicht haben.

23. bis 25. April
Ballsaal Schaubühne Lindenfels
23. April: Eröffnung 18.30 Uhr
24. & 25. April: 19 – 23 Uhr


Kuration: Stephan Langer, Clara Wieck, Katharina Wittman