L’Époque / Young and Alive (F 2018, Matthieu Bareyre)

F 2018, R: Matthieu Bareyre, Dok, 96′, OmeU, DCP

Paris zwischen 2015 und 2017. Interviews auf den Straßen und in den Cafés. Der Charme adoleszenter Selbstüberschätzung vermischt sich mit dem fatalen Gefühl verloren und ohne Zukunft zu sein. Die Reaktionen darauf sind vielfältig. Es wird gelacht, getanzt und auf den Prachtstraßen die Bourgeoisie provoziert. Andere diskutieren Zusammenschlüsse. Solidarität. Reflektieren ihr Leben unter kapitalistischen Bedingungen. Hin und wieder sehen wir brennende Barrikaden oder Polizisten, die gefesselte Menschen schlagen. Straßenzüge, gezeichnet von Riots, die sich entzünden, weil schon wieder ein schwarzer Jugendlicher in Polizeigewahrsam misshandelt wurde und ein anderer umkam. Eine Zeit, geprägt durch die Bewegung „Nuit debout“, aber auch von den Attentaten auf Charlie Hebdo und das Bataclan.
Und dann ist da Rose. Eine junge Französin, voller Energie und Witz, mit einem Leuchten in den Augen. Sie berichtet von Racial Profiling, streitet über Identität und erklimmt das Monument auf dem Platz der Republik. L’ÉPOQUE: Keine Reise ans Ende der Nacht. Eher ein flammender Cocktail, der seine Schatten voraus wirft. Ein fiebriger Ritt, getragen und getrieben durch eine Vivaldi-Sonate in d-Moll. Die Bestandsaufnahme einer Generation auf dem Sprung in eine neue Ära, wäre da nicht die alte.

18. April, 22 Uhr – Schaubühne Lindenfels – € 6,5 (5,5 erm.)


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The Watermelon Woman (USA 1996, Cheryl Dunye)

USA 1996, R: Cheryl Dunye, D: Cheryl Dunye, Guinevere Turner, Valarie Walker, Cheryl Clarke, Sarah Schulman, Camille Paglia, Brian Freeman, 90′, englische OV, DCP

Philadelphia in den 1990er Jahren. Cheryl und Tamara sind Teil der „black lesbian community“ der Stadt und verdienen ihr Geld in einer Videothek. Nebenher versucht Cheryl ihren Einstieg als Filmemacherin in die Gänge zu bekommen und beginnt mit dem Dreh einer Dokumentation. Mit der Idee im Kopf, einen Film über die attraktive „Watermelon Woman“ zu produzieren – eine Nebendarstellerin in vielen Streifen der 1930er und 40er Jahre, die im Abspann immer nur unter diesem Namen zu finden ist – beginnt sie ihre Recherche. Die Sphären verflechten sich zunehmend und neben dem Mainplot, der von Cheryls Liebesleben und Freundschaften erzählt, wird durch pseudodokumentarische Interviews auch immer mehr über die sogenannte „Watermelon Woman“ aufgedeckt, deren Leben einige Parallelen zu dem der Protagonistin bereithält. In Dunyes Film trifft fiktive Dokumentation auf fiktionale Spielfilmatmosphäre und schafft eine amüsant und nonkonform inszenierte politische Bestandsaufnahme über die vielschichtige Verbindung von Sexualität, Klasse und Hautfarbe.

Eigens für die Produktion des Film wurde der fiktive Charakter, der hinter der „Watermelon Woman“ steht, sowie ein dazugehöriges fotografisches Archiv von Cheryl Dunye und Zoe Leonard entworfen: Fae Richards, eine afroamerikanischen Schauspielerin, die im frühen 20. Jahrhundert lebte und für ihr Engagement in der Bürgerrechtsbewegung bekannt war. Dunye führt ihre Fälschung einer Lebensgeschichte auf den Mangel an Informationen im wirklichen Leben zurück: „The Watermelon Woman came from the real lack of any information about the lesbian and film history of African-American women. Since it wasn’t happening, I invented it.“ (Cheryl Dunye).

19. April, 20 Uhr – Schaubühne Lindenfels – € 6,5 (5,5 erm.)


Am gleichen Tag findet um 19 Uhr in der Schaubühne Lindenfels eine Lecture von Natascha Frankenberger zu Arbeitsweisen des Projekts von Dunye und Leonard neben anderen Beispielen und Aspekten von queeren Gegenarchiven und aktivistischer Sichtbarmachung marginalisierter Künstler*innen und deren Lebensweisen statt.


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„Mir ist es egal, wenn wir als Barbaren in die Geschichte eingehen“ (RO/CZ/F/BG/D 2018, Radu Jude)

RO/CZ/F/BG/D 2018, R: Radu Jude, D: Ioana Iacob, Alex Bogdan, Alexandru Dabija, 139′, OmeU, DCP

Der Filmtitel sind Worte, die 1941 im rumänischen Ministerrat gefallen sind und die ethnischen Säuberungen, veranlasst vom kollaborativen Ministerpräsidenten Ion Antonescu, diskursiv einleiteten. Radu Judes Film umkreist diesen Satz, zeichnet ihn nach, verfremdet und kommentiert ihn. Gleich zu Beginn betritt die Schauspielerin Ioana Jacob das Bild, stellt sich als Theaterregisseurin Mariana Marin vor und schlüpft in deren Rolle. Sie plant ein öffentlich angelegtes, gut recherchiertes Reenactment, das einer präsenten, selektiven Geschichtsvergessenheit entgegenwirken soll, in dem es die rumänische Beteiligung am Holocaust thematisiert.
Heraus kommt dabei eben kein simpler, historischer Holocaust-Plot, sondern eine im Heute angesiedelte, vielschichtige Geschichte mit einer dokumentarischen Ästhetik, die metafiktional vergangene Gegenwart mit gegenwärtiger Vergangenheit verbindet. Als künstlerische Prinzipien schimmern dabei Brecht und Godard am Horizont. Der Film begegnet seiner empfindlichen Thematik mit einem Drehbuch voller Esprit, schnörkellos eleganter Kamera und einem spielerischen Sinn für Ironie, ohne dabei den Blick auf beschädigte Menschlichkeiten zu verlieren. „MIR IST ES EGAL, WENN WIR ALS BARBAREN IN DIE GESCHICHTE EINGEHEN“ ist voller dialektischer Momente und unterhält bis an den Punkt, an dem es ungemütlich wird.

19. April, 22 Uhr – Schaubühne Lindenfels – € 6,5 (5,5 erm.)


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Podiumsdiskussion | Archiv als machtpolitisches Instrumentarium und die Schaffung von Gegenarchiven

Es diskutieren:

Heide Schlüpmann studierte Philosophie in den 1960er Jahren, unter anderem in Frankfurt/Main. Sie ist passionierte Kinogängerin seit 1970. Lehraufträge für Film seit 1977, von 1991-2008 Professorin für Filmwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. Mitherausgeberin der Zeitschrift Frauen und Film. Mitbegründerin der Kinothek Asta Nielsen e.V., die die Filmarbeit von Frauen in Geschichte und Gegenwart dokumentiert, archiviert und fördert.

Simon Rothöhler ist Juniorprofessor für Medientechnik und Medienphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum und Mitgründer sowie Herausgeber der Zeitschrift CARGO Film/Medien/Kultur. Zuletzt erschienen ist sein Buch „Das verteilte Bild. Stream – Archiv – Ambiente“.

Gabriele Stötzer ist Künstlerin, Filmemacherin und Schriftstellerin. Neben der Leitung einer privaten Galerie in Erfurt ist sie zudem als Fotografin, Performance- und Videokünstlerin tätig. Mitgründerin von „Frauen für Veränderung“ und Mitinitiatorin der ersten Besetzung einer Stasi-Bezirksverwaltung im Dezember 1989.

Moderation:

Dennis Vetter ist ein Filmkritiker, unabhängiger Filmwissenschaftler, Kurator und Festivalorganisator. Er ist Mitbegründer der Woche der Kritik in Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt auf Dokumentarfilm, asiatischem Kino, Queer Cinema und Experimentalfilm.

20. April, 18 Uhr – Schaubühne Lindenfels – Eintritt frei

Bêtes Blondes / Blonde Animals (FR 2018, Maxime Matray, Alexia Walther)

FR 2018, R: Maxime Matray, Alexia Walther, D: Thomas Scimeca, Basile Meilleurat, Agathe Bonitzer, 101′, OmeU, DCP

Genauso unwissend wie wir in Bêtes Blondes geworfen werden, genauso orientierungslos stolpert die Hauptfigur Fabien durch die Story und sein Leben. Für ihn unerklärlicher Weise wacht er im Wald auf, wo ihm ein geliehener Korkenzieher zurückgegeben wird, und nachdem Fabien die Einladung der Picknicker zu einem Grillfest annimmt, stiehlt er ihnen den sorgfältig marinierten Lachs und flüchtet in den Wald, wo der Fisch im Magen eines Jagdhundes landet. Diese kauzige
Eröffnungssequenz entwickelt sich zu einem noch kauzigeren Road Movie, das so unberechenbar ist wie die Handlungen eines ehemaligen Sitcom-Stars, dessen Kurzzeitgedächtnis nur mit Alkohol am Laufen gehalten werden kann (Fabien). Dafür, was die menschliche Existenz ausmacht, wenn man ihre Erinnerungen abzieht, interessiert sich der Film nur am Rande. Er nimmt Fabiens Einschränkungen (hinzukommt der Verlust des Geschmackssinns) als komischen Antrieb, die Handlung voranzubringen. Sie besteht aus schillernden und absurd-witzigen Episoden, die gelegentlich an der Grenze des guten Geschmacks arbeiten. Fabien trifft seinen ab sofort steten, aber immer wieder vergessenen Begleiter Yoni, der indirekt den Tod seines Boyfriends herbeigeführt haben soll, so behauptet es zumindest die Familie des Enthaupteten, dessen Beerdigung gerade vorbereitet wird. Gemeinsam versuchen sie zum Aufgebahrten vorzudringen…

20. April, 22 Uhr – Schaubühne Lindenfels – € 6,5 (5,5 erm.)


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