鎗火’ – The Mission (HK 1999, Johnnie To)

HK 1999, R: Johnnie To, D: Anthony Wong, Francis Ng, Jackie Lui Chung-Yin, 81’, OmeU, 35mm

Ein Klassiker des Hongkong-Gangsterfilms der 1990er-Jahre vom Actionchoreographie- Meister Johnnie To: Dem Triadenboss Brother Lung wird nach dem Leben getrachtet, also werden ihm fünf Mitglieder seiner Organisation als Bodyguards zur Seite gestellt: Roy und seine rechte Hand Shin, der Waffenexperte James, der Pistolenheld Mike und der kaltblütige Mörder Curtis. Ohne dass diese viel von sich preisgeben würden, bilden sie kurzerhand ein Team mit einer Mission.

Die zusammengewürfelte Brüderlichkeit inmitten der Triadenunterwelt ist Dreh- und Angelpunkt des Films. Mit eingedampfter Story und Konstellation reiht sich der Film in die Hongkonger Milky Way-Produktionen der Zeit ein, in denen Themen vage bleiben und Emotionen nur hier und da aufblitzen. Inszenatorisch verdichtet sehen wir dieser Männerbande dabei zu, wie sie ihre Mission verfolgen und dabei sparsam ihre individuellen Charaktere enthüllen. Aus geringsten körperlichen Handlungen und kleinsten emotionalen Regungen entstehen eigentümliche Partnerschaften, stets flankiert von spannungsgeladenen Standoffs und Shootouts. Am Ende steht der Kumpanei die Loyalität zur Organisation entgegen. Ein Genre-Lichtspiel zwischen kinetischen Handlungen und Momenten der Stille.

Fr 03.09.Luru Open-Air
22 Uhrregulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

03.09.2021 | 那夜凌晨,我坐上了旺角開往大埔的紅VAN – The Midnight After (HK 2014, Fruit Chan)

HK 2014, R: Fruit Chan, D: Wong Yau-Nam, Janice Man, Chui Tien-You, 124’, OmeU, DCP

Ein roter Linienbus schlängelt sich durch das urbane Chaos Hongkongs. Nach und nach füllt er sich mit ungleichen Figuren, siebzehn um genau zu sein. Ein Querschnitt der lokalen Bevölkerung. Das Reiseziel: Tai Po, ein Vorort in den neuen Territorien. Als sich der Bus seinen Weg durch den Lion Rock Tunnel bahnt, passiert das Unerklärliche. Im Funknetz ist die Kommunikation zur Außenwelt verstummt, Straßen und Stadtbezirke sind leer. Alle bis auf die Insassen scheint die Stadt verschluckt zu haben. Die unfreiwillige Schicksalsgemeinschaft sucht nach Antworten.

Zu allem Überfluss werden die Passagiere dabei von seltsamen Erscheinungen heimgesucht: Geisterhafte Wesen, Zombies, spontane Selbstentzündungen und eine Krankheit, die Teenager zum Schmelzen bringt. Ereignisse, die die menschliche Logik aushebeln – die Flucht in Hirngespinste und Verschwörungstheorien sind die Folge. Fruit Chan erzählt mit MIDNIGHT AFTER von einer Auflösung der bekannten Ordnung. Zurück bleiben Konspirationen, Orientierungslosigkeit und ein pessimistischer Blick ins Ungewisse. Der Film wirkt wie eine Prophezeiung: wenige Monate nach Erscheinen des Films sammeln sich auf den Straßen Hongkongs die Regenschirme, die Protestwelle beginnt.

Fr 03.09.Luru Kino
19 UhrMit einer Einführung von Clemens von Haselberg

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€
im Doppel: 11€ / ermäßigt 9€

04.09.2021 | DEUTSCHLANDPREMIERE: Lucrecia Dalt vertont DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM

D 1920, R: Paul Wegener, Carl Boese, D: Paul Wegener, Albert Steinrück, Lyda Salmonova, Ernst Deutsch, 76′, viragiert, DCP 4K 

TICKETS (€ 12) an der Abendkasse und im VVK unter: https://www.tixforgigs.com/Event/38121

Einigermaßen untergründig mutet die Vertonung des expressionistischen Klassikers des Weimarer Kinos DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM von Paul Wegener und Carl Boese aus dem Jahr 1920 an. Die Geschichte um Rabbi Löw, der die Lehmfigur Golem erschafft, um die drohende Vertreibung der Bewohner*innen des jüdischen Ghettos im Prag des 16. Jahrhunderts abzuwenden. Aus einer Verkettung unglücklicher Umstände heraus wendet sich die Figur in der Folge gegen seinen Schöpfer. Die von Hans Poelzig für den Film entworfenen Bauten waren wegweisend für weitere Filmarchitekturen – bis heute gilt DER GOLEM als Vorbild und Referenz für das Horrorfilmgenre. Allerorten bedrängende Phantasmagorien, Alpträume von einer Welt, deren menschliche Gesichter Fratzen und deren Straßen steile Gebirgspfade geworden, deren Behausungen windschief und einsturzgefährdet sind.

Ähnlich der Magie, die dem Lehm eingehaucht wird und ihn zum Golem werden lässt, wird die kolumbianische Soundkünstlerin und frühere Geotechnikerin Lucrecia Dalt mit ihren tiefen Bassfrequenzen in den Filmbildern neue Abgründe aktivieren. Dalt ist eine international gebuchte wie gefeierte Musikerin und Performerin. Sie bewegt sich in akademischen wie musealen Settings, als auch in Clubkontexten. In ihren subtilen Klanglandschaften unterwandert sie allzu rigide Formvorstellungen, experimentiert mit südamerikanischen Rhythmiken, geloopten Drone-Sounds und ungewöhnlichen Spoken Word-Passagen. Das geologische Framework hat sie auf ihren musikalischen Ansatz übertragen: Ihr Songwriting vergleicht sie mit Boden- und Gesteinsschichten, die sich als eine Masse auf der Erdoberfläche abgelagert haben, dabei aus Einzelelementen mit individuellen Charakteristiken zusammengesetzt sind. Klanglich ergibt sich daraus ein neuartiges, surrealistisch-angehäuftes Terrain. 

4. SeptemberUT Connewitz
21 Uhr€ 12 [VVK: TixforGix]

05.09.2021 | GEGENkinderkino: DER KÖNIG UND DER VOGEL (FR 1979, Paul Grimault)

FR 1979, R: Paul Grimault, 81’, dF, 35mm, freigegeben ab 6 Jahren

Der schielende König V + III = VIII + VIII = XVI, tyrannischer Herrscher eines schwindelerregend in den Himmel ragenden Schlosses, vergnügt sich damit, sich selbst zu preisen und den Tierchen unter seinen Untertanen das Leben schwer zu machen. Doch ein sprechender Vogel samt prächtigem Gefieder und Zylinder will das alles nicht auf sich sitzen lassen und streut ihm und seiner ulkigen Gefolgschaft nur zu gern Sand ins Getriebe. Das ist die Grundkonstellation der Märchenverfilmung nach Hans Christian Andersen, ein vor Phantasie nur so strotzender Animationsfilm aus Frankreich.

Dort ist er längst ein Kinderfilmklassiker; hierzulande muss der Film von Groß und Klein erst noch entdeckt werden! Eigentlich erstaunlich, lassen doch die ganzen liebevollen Einfälle, etwa wie moderne Technik im mittelalterlichem Hofleben Einzug hält, an die schönsten Filme des Studio Ghibli denken. Mit „König vs. Vogel“ ist es aber noch nicht getan: Wundersam entsteigen eines Nachts ein Schornsteinfeger und eine Hirtin der königlichen Gemäldegalerie und verlieben sich sogleich. Das Problem ist nun, dass Könige sich stets Hirtinnen zur Frau nehmen, ob diese nun wollen oder nicht… Aber auch hier weiß der hilfsbereite Vogel Rat. Das großkotzige Schloss gerät ins Wanken.

So 05.09.UT Connewitz
14 Uhr2€

05.09.2021 | ЛАДОНИ / Ladoni (SU/Moldauische SSR 1993, Artur Aristakisyan)

SU (Moldauische SSR) 1993, R: Artur Aristakisyan, Dok, 140’, OmU, 35mm

Einer, der das Establishment scheut, hat einen der beeindruckendsten Filme über das System gemacht. Artur Aristakisyan hat bisher nur zwei Filme gedreht – A PLACE ON THE EARTH im Jahr 2001 und davor diesen. LADONI wurde noch vor seinem Studium am Moskauer Gerassimow-Institut für Kinematographie gefilmt und war dann sein Abschlussfilm an der Hochschule in 1993. Er hat 1990 im Laufe von einem Jahr mit der Handkamera Bettler*innen und Blinde in seiner Heimatstadt Kischinau (Moldau) gefilmt. Im Off-Text des Films spricht der Regisseur zu seinem ungeborenen Sohn, weil er seinem Kind Glück wünscht. Wie kann aber jede Person seine Autonomie behalten ohne sich den Gesetzen des Systems zu beugen?

Auf 16 mm-Handkamera gedreht, dann auf 35 mm aufgeblasen, dienen die körnigen Schwarzweißbilder – vor allem aus der Perspektive zeitgenössischer, visueller Kultur – als Veräußerlichung der gewaltigen filmischen Distanz, die uns vom Anfang der 90er Jahre trennt. Die Poetik der Texte Aristakisyans bezeugen von der universellen Angst aller werdenden Eltern angesichts des Zustands der Welt, in der die Kinder hineingeboren werden. Zehn Bettler*innen in zehn Kapiteln des Films – das macht zehn poetische Parabeln über positive und negative Freiheit im Sinne Isaiah Berlins.

So 05.09.UT Connewitz
19 UhrMit einer Einführung von Elina Reitere

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€