13.09.22 | Mit Pyramiden (D 1990, Renate Sami)

D 1990, R: Renate Sami, Dok, 93′, OmdU, 16mm

Renate Samis MIT PYRAMIDEN ist ein schwer einzuordnender Dokumentarfilm, am ehesten ist er wohl ein Travelogue. Das Bild eines fernen Landes wird hier aus unterschiedlichen Stimmen, Klängen, Gesichtern und Interieurs zusammengesetzt, es bleiben dabei Ecken und Kanten zurück, nichts ist harmonisch abgerundet. Wir sehen vom Auto aus ägyptische Wüsten- und Stadtlandschaften, die wir in 8mm- und 16mm-Aufnahmen gemeinsam mit Sami erkunden, während uns die Tonspur verschiedene Texte präsentiert. Diese handeln etwa von sagenumwobenen Stadtgründungen, geben aber auch Einblick in Geschichten ägyptischer Frauen, die von ihren leidvollen Eheerfahrungen, allgemein vom Frausein in einer patriarchalen Gesellschaft berichten.

Die Erfahrung, die man dabei als Zuschauer:in macht, fasst Samis Kollegin und Freundin Ute Aurand so poetisch, wie der Film selbst ist, zusammen: „Dinge stoßen aneinander, die ich nicht vermute. Sie erzeugen einen neuen Raum, außerhalb des Films. Das Vergnügen an diesen unvorhersehbaren Verwunderungen zwischen den Bildern gibt dem Film eine ihm ganz eigene Energie. (…) Nichts wird erklärt. Ich sage dazu Freiheit – und das ist der Zustand, in den mich dieser Film versetzt.“

Di 13 SeptLuru Kino in der Spinnerei
19:00 Uhrregulär: 6,5€ / reduziert 5,5€
Doppelticket mit WEISSE RABEN: 11€ / 9€ reduziert

12.09.22 | ELES TRANSPORTAN A MORTE / THEY CARRY DEATH (ES/CO 2021, Helena Girón & Samuel M. Delgado)

ES/CO 2021, R: Helena Girón, Samuel M. Delgado, D: Nuria Lestegás, Sara Ferro, Xoán Reices, Valentín Estévez, 75′, OmeU, DCP

Sie tragen den Tod. Und versuchen ihm doch zu entkommen. Eine Gruppe von Verurteilten entwischt auf den Kanaren der Flotte Christoph Kolumbus‘ und flieht mit einem riesigen Segel über die vulkanische Einöde. In Galicien indes wird eine junge Frau, die sterben wollte, von ihrer älteren Schwester gefunden und auf dem Rücken eines Esels zu einer Heilerin gebracht. Die Figuren sind Teilchen eines größeren Kosmos, in welchem die Sonne martert, der Wind ätzt, der Wald fiebert, die Erde blutiges Gestein spuckt, die See nach den ihr versprochenen Körpern sucht und die Schiffe den Tod weitertragen – hinein in die „Neue Welt“.

Wie erzählt sich Geschichte? Wer trägt Bedeutung? Wer ist der Sklave Caliban und wer die Hexe Sycorax? Das Regie-Duo Helena Girón und Samuel M. Delgado entwirft in seinem ersten gemeinsamen Langfilmprojekt eine kraftvoll-kontemplative Reflexion über die Fragilität von Historie und die Rolle von Geschlecht in dieser und wagt dabei in eruptiver Eleganz sowohl das Sakrileg der Intervention als auch der schweigenden Leere.

Mo 12 SeptSchaubühne Lindenfels
19 Uhrregulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€

12.09.22 | RE GRANCHIO / THE TALE OF KING CRAB (IT/AR/FR 2021, Alessio Rigo de Righi & Matteo Zoppis)

IT/AR/FR 2021, R: Alessio Rigo de Righi & Matteo Zoppis, D: Gabriele Silli, Maria Alexandra Lungu, Severino Sperandio, 106′, OmeU, DCP

Italien, heute. Eine Handvoll älterer Jäger mit zerklüfteten Gesichtern trifft sich in geselliger Runde zum Essen und erzählt sich gegenseitig Geschichten von Luciano, einer Figur der lokalen Folklore. Aus diesem dokumentarischen Setting hebt THE TALE OF KING CRAB ab in das Leben von Luciano – oder vielleicht besser: in eine Version davon. Luciano sagt man, war ein Mann des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts mit einer Vorliebe für Alkohol und eine Frau aus dem Dorf. Dazu kommt ein Streit um das Durchgangsrecht durch ein antikes Tor mit dem regionalen Fürsten. Angetrieben durch Leidenschaft und Eifersucht begeht er ein Verbrechen und wird als Krimineller verbannt nach Feuerland, ans Ende der Welt. Dort versucht er als Priester – mit anderen, eher unangenehmen Goldsuchenden und einem Krebs – einen mythischen Goldschatz zu finden. 

Verwurzelt in oralen Traditionen und zeitgenössischem Kino, schaffen die beiden Regisseure einen Film, der seine Landschaften und das Weitergeben von Geschichten zelebriert. Die Kombination aus neorealistischem Charme und einem ästhetischen Rückgriff in ein vorindustrielles Zeitalter lassen an Alice Rohrwachers Filme denken, setzen dem aber noch einen verschrobenen Western obenauf. Die umwerfende Kameraarbeit fängt das Licht auf den körnigen 16mm-Aufnahmen ein und ist spielerisch dem Fiebertraum auf der Spur, der Kino immer gewesen ist.

Mo 12 SeptSchaubühne Lindenfels
21 Uhrregulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€

11.09.22 | In voices we rest. Die Filme von Miriam Gossing und Lina Sieckmann

Das Duo Miriam Gossing und Lina Sieckmann erschafft experimentelle Arbeiten in den Bereichen Film, Fotografie und installative Videokunst. 2012 starteten die beiden den Projektraum Schalten & Walten, in welchem sie seither kollektiv mit anderen Künstler:innen Performances, Konzerte und Screenings organisieren. Zudem leiten und kuratieren sie das von ihnen gegründete Blonde Cobra Festival für queeren Underground- und Experimentalfilm sowie Performancekunst in Köln. Ihre eigenen Werke werden auf 16mm gedreht und im Anschluss digitalisiert. Die Kurzfilme nutzen, inszenieren und fiktionalisieren mitunter dokumentarische Inhalte, häufig mit einer Voice-Over-Stimme versehen, deren Texte auf der Grundlage von Interviews oder Foreneinträgen entstanden. Diese Texte – von professionellen Sprecher:innen performt – reichern dabei die statischen, meist von Menschen entleerten Bilder mit zusätzlichen Bedeutungsebenen an. Ob für die thematisch arrangierten Traualtare an den Highways Nevadas, die getrübten Vorstadtidyllen von Massachusetts oder die behäbigen Kreuzfahrtschiffe Nordeuropas: Die Geschichten und die Tonalitäten der Erzähler:innenstimmen setzen, begleitet von einem ausgefeilten, nicht selten düsteren Sounddesign, ein diffuses Unbehagen in die Arrangements. Dabei befragen die beiden Künstlerinnen Räume nach ihren Beziehungen zu menschlichen Leidenschaften und Obsessionen. In ihren Musikvideos EDIFICE und CHINA LIGHT wiederum glühen die Bilder förmlich in einem Montage-Rausch aus Farben und Materialfülle. Zusammen mit den Ebenen des Auditiven erschaffen sie einen repetitiven Sog hinein in die Lust an der Bewegung.

So 11 SeptUT Connewitz
19:00 UhrMit einer Videoeinführung der Filmemachenden

regulär: 6,5€ / reduziert 5,5€

SONNTAG, BÜSCHERHÖFCHEN 2

DE 2014, 13′, ohne Dialog, HD


DESERT MIRACLES

DE/US 2015, 12′, engl OV, HD


EDIFICE

US 2018, 4′, ohne Dialog, HD


OCEAN HILL DRIVE

DE 2016, 21′, engl. OV, HD


ONE HOUR REAL

DE/NL 2017, 12′, ohne Dialog, HD


CHINA LIGHT

DE 2019, 4′ ohne Dialog, HD


SOUVENIR

DE/NL 2019, 20′, engl. OV, HD

11.09.22 | Distruktur & LaborBerlin e.V.

Das seit 2006 in Berlin lebende brasilianische Film-Duo Melissa Dullius und Gustavo Jahn arbeitet als DISTRUKTUR seit gut zwei Jahrzehnten an einem Film-Corpus, der sich den experimentellen Formsprachen analogen Materials, vor allem 16mm, verschrieben hat. Ihre enigmatischen Werke erkunden mit einem spielerischen Symbolismus die Underground-Szene der deutschen Hauptstadt ebenso wie die verwinkelten Gassen Kairos und spiegeln dabei nicht nur Erfahrungen des Diasporischen wider, sondern beschreiben auch Film als Terrain der Synthese verschiedener künstlerischer Einflüsse wie Musik, Tanz, Bühnenbild oder Perfomancekunst. Dullius und Jahn sind Gründungsmitglieder des LABORBERLIN e.V., der sich als unabhängige Gruppe der Autodidaktik und dem DIY-Charakter rund um analoges Filmmaterial verschrieben hat. In dessen Räumlichkeiten können Mitglieder Filme entwickeln, schneiden, umkopieren. Zudem bietet das Labor Workshops für interessierte Außenstehende an, die sich sowohl chemischen und physikalischen als auch ästhetischen und philosophischen Fragen annehmen und als eine Form des außerakademischen, horizontalen Wissenstransfers funktionieren. 

Im Anschluss an sechs Kurzfilme von DISTRUKTUR, die Melissa Dullius selbst projizieren wird, zwei davon mit Live-Vertonung, zeigen wir eine Auswahl von Arbeiten des Labor-Kollektivs aus einem Open Call. Zu Beginn läuft GEDENKEN, ein filmisches Stück Erinnerungsarbeit, für das die Künstlerinnen Katrin Eissing und Melina Pafundi Titel und Materialreste von KALMENHOFKINDER – ERMORDET UND VERGESSEN von Nikolaus Tscheschner bearbeiteten, die sie im Labor zuvor fanden. Danach reflektiert HLBC 16 über die Sequenz einer Autofahrt durch Rom und seine Vororte in Danièle Huillets und Jean-Marie Straubs Film HISTORY LESSONS von 1972. Dazu verleiht Luisa Greenfield mit einem begleitenden Text ihren Gedanken live eine Stimme. Zu guter Letzt eröffnet MOONLESS von Sophie Watzlawick mit einem Präludium aus Stimmen und Geräuschen in völligem Black, bis dann entrückende (Negativ-)Bilder in eine mysteriöse, mondlose Welt entführen.

So 11 SeptUT Connewitz
21:00 UhrIn Anwesenheit der Filmemachenden

regulär: 6,5€ / ermäßigt 5,5€

DISTRUKTUR

EL MERAYA

EG/DE/BR 2018, R: Melissa Dullius & Gustavo Jahn, OV, + dt. Live-Vertonung, 20′, 16mm

A MÁQUINA DO TEMPO / TIME MACHINE

BR/DE 2015, R: Melissa Dullius & Gustavo Jahn, dt. Live-Vertonung, 5′, 16mm

DON’T LOOK BACK / LABIRINTO 

BR/DE 2012, R: Melissa Dullius & Gustavo Jahn, ohne Dialog, 6′, 16mm

ÉTERNAU 

BR 2006, R: Gustavo Jahn, OmeU, 22′, 16mm

FOTOKINO

BR/DE 2012, R: Melissa Dullius & Gustavo Jahn, ohne Dialog, 3′, 16mm

KINOGRAPH

FR/BR/DE 2020, ohne Dialog, 2’, 16mm


LABOR BERLIN e.V.

IN MEMORY / GEDENKEN

DE 2018, R: Katrin Eissing, Melina Pafundi, ohne Dialog, 9′, 16mm

HLBC 16

DE 2021, R: Luisa Greenfield, engl. Live-Text, 15′, 16mm

MOONLESS / SANS LUNE

CH/DE 2017, R: Sophie Watzlawick, mit Präludium & Live-Übersetzung, 12′, 16mm