BR/PT 2022, R: Joana Pimenta, Adirley Queirós, D: Joana Darc Furtado, Léa Alves da Silva, Andreia Vieira, 153’, OmeU, DCP







Chitara und Léa sind Halbschwestern und wiedervereint: Léa ist gerade wieder aus dem Gefängnis entlassen worden. Sie leben in Sol Nascente, einer trostlosen Favela am Stadtrand von Brasilia, und sind „gasolinheiras“: sie stellen aus Rohöl Benzin her und verkaufen es an lokale Motorradcrews. Mit einer Gruppe von Frauen betreiben sie eine kleine Fabrik, in der sie das Öl illegal aus Leitungen abzapfen und verarbeiten. So überleben sie inmitten von Drogenhandel und der Konkurrenz mit kriminellen Kartellen.
DRY GROUND BURNING führt vielschichtig wie grimmig vor, wozu Entmündigungen bestimmter Gruppen und Gesellschaftsschichten unter einer autoritären Regierung führen können: zu Rebellion, gespickt mit Gewalt und Gegengewalt. Ästhetisch eine clevere Mischung aus dokumentarischen und fiktionalisierten Passagen, sehen wir Bilder von nächtlichen Eskapaden, militarisierten Polizeipatrouillen und von den Arbeitsprozessen in ihrer Fabrik – alles im Wechsel mit intimen Gesprächen der Frauen über Familie, die Zustände und die Möglichkeit einer Zukunft. Basis des Film ist das reale Leben der Porträtierten, angereichert mit visuellen Anleihen aus dem Gangstergenre und dystopischer Science-Fiction à la MAD MAX. Dank der Mittel des Kinos kann Léa am Ende des Films eine Rachefantasie verwirklichen: DRY GROUND BURNING kulminiert in einem Bild, das Zerstörung und Grazie vereint. Ein ungehemmtes, politisches Statement jenseits von Didaktik.
Mo 11. Sept | Schaubühne Lindenfels |
21:00 Uhr | € 6,5 (5,5 erm./red.) |
Carte blanche | KINO ARMATA
PA VEND / DISPLACED
XK 2021, R: Samir Karahoda, 15’, OmeU, digital
I HAVE NEVER BEEN ON AN AIRPLANE
XK 2020, R: Redon Kika, 9’, OmeU, digital
JEHONË / ECHO
XK 2022, R: Ana Morina, 8’, OmeU, digital
SHPIJA / HOME
XK 2022, R: Flaka Kokolli, 7’, ohne Dialog, digital
GARDHI / FENCE
XK/HR/FR 2018, R: Lendita Zeqiraj, 15’, OmeU, digital
KANGË E DEFA: FEMALE RHAPSODY IN KOSOVA
DE/XK 2014, R: Vincent Moon, Fatime Kosumi, 29’, Dok, OmeU, digital


Alush Gashi und Ilir Hasanaj haben für das GEGENkino eine Kurzfilmrolle zusammengestellt, die einen Einblick in das gegenwärtige filmische Schaffen des Kosovo gewährt. Ästhetisch ist eine große Bandbreite an Arbeiten vertreten, angefangen etwa mit DISPLACED, der über den internationalen Festivalzirkus tourte und 2021 in Toronto als bester Kurzfilm ausgezeichnet wurde: Ein Tischtennisclub muss immer wieder umziehen, weil er über keine festen Trainingsräume verfügt. Alte Garagen, leerstehende Hochzeits-säle – mitunter wird die Platte auch kurzerhand auf dem Traktor transportiert. Eine humorvolle, subtil-metaphorische Studie über junges Talent in einer abweisenden Umgebung. Oder auch der fiktionale FENCE, in dem ein launiges Familientreffen mit dem unwillkommenen Eintreffen eines jungen Roma und seinem Hund langsam ins Chaotische abdriftet. FEMALE RHAPSODY IN KOSOVA spürt in einem poetischen Trip dem Klang der Landschaft nach, den Harmonien eines Landes durch seine traditionellen Frauengesänge – ein Mosaik voller Geschichten, Charaktere und Musik. Der Animationsfilm HOME thematisiert den Wunsch des Weggehens von einem Zuhause, bei dem das Zuhause aber mitkommt und immer dabei ist. Dazu mit I WAS NEVER ON AN AIRPLANE und JEHONË zwei Filme der „Neo_ School“ des Kino ARMATA.
Mo 11. Sept | KINO ARMATA Schaubühne Lindenfels |
19:00 Uhr | In Anwesenheit von Alush Gashi und Ilir Hasanaj € 6,5 (5,5 erm./red.) |
Carte Blanche | KINO ARMATA









Im Zuge einer internationalen Kooperation begrüßen wir zwei Gäste aus Pristina: Alush Gashi, Direktor des ARMATA, sowie Ilir Hasanaj, Regisseur und Mitgründer desselben, werden an zwei Tagen ein von ihnen kuratiertes Programm kosovarischer Filme vorstellen und mit uns über das Kino ARMATA und die kosovarische Filmlandschaft ins Gespräch zu kommen.
Das Kino ARMATA existiert in der kosovarischen Hauptstadt seit 2018 und beschreibt sich als „public space, promoting alternative culture and social dialogue“. Das Gebäude ist in staatlicher Hand und wurde der Stadtverwaltung Pristina zur Verfügung gestellt, die wiederum die Programmierung einem unabhängig arbeitenden Kollektiv überlässt – eine im Kosovo einmalige Konstellation. Dies ermöglichte eine Wiederaneignung von unten, nachdem das Gebäude in der Vergangenheit unterschiedlichen Zwecken diente. In den 1980ern nutzte es die jugoslawische Armee für Filmprogramme, Tanzabende und kulturelle Veranstaltungen (mitunter mit propagandistischem Ethos). Im Zuge der Verschlimmerung der politischen Situation zwischen Serbien und dem Kosovo Ende der 80er boykottierten Kosovo- Albaner:innen serbisch getragene kulturelle Institutionen, bis das Haus 1988 für die Öffentlichkeit geschlossen wurde und nur noch interne Veranstaltungen für serbisches Klientel stattfanden. In den 90ern wurde es während des Kosovokrieges vom Militär genutzt – nach dem offiziellen Ende des Krieges 1999 dann von der UN zu administrativen Zwecken bis 2017. Über all die Jahre blieb das sozialistische Interieur des Kinos und der angrenzenden Bürogebäude erhalten. Die Sitze des Kinos sind UN-blau. Somit bietet sich die Möglichkeit das kulturelle Erbe neu zu interpretieren: die Community, die sich rund um das Kino gebildet hat und bildet, ist eine lebendige Komponente bei der Einordnung historischer und sozialer Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit.
Die zwei Säulen des Programms sind Film und Musik. Neben einem Filmprogramm bieten sie mit der Plattform Neo_School niederschwellig zugängliche Intensivkurse im Filmemachen, Fotografie und Audioproduktion an. Darüber hinaus gibt es den kritischen Filmklub Kineto und das Tape- und Vinyl-label ARMATA Records, dessen Releases vor Ort produziert oder in Kooperation mit dem ansässigen Team entstanden sind. Über das ARMATA hinaus hat das kosovarische Kino in den Jahren seit dem Kosovokrieg eine bemerkenswerte Entwicklung und ein Wachstum erlebt und spiegelt die sozialen und kulturellen Veränderungen in dem kleinen, lebhaften Balkanland wider. Die Themen des kosovarischen Kinos drehen sich häufig um die Folgen des Krieges, um Identität und soziale Fragen und bieten einen Einblick in die Geschichte des Landes und seine aktuellen Herausforderungen.
Kosovarische Filme finden international Beifall – trotz finanzieller Engpässe und begrenzter Ressourcen floriert das dortige Kino dank der Entschlossenheit und Kreativität seiner Filmemacher:innen weiter. Festivals wie das DokuFest in Prizren und das Prishtina International Film Festival (PriFest) sind zu wichtigen internationalen Plattformen geworden.
11.09.23 Schaubühne Lindenfels Kino 19 Uhr | Kurzfilmrolle PA VEND / DISPLACED XK 2021, R: Samir Karahoda, 15’, OmeU, digital I HAVE NEVER BEEN ON AN AIRPLANE XK 2020, R: Redon Kika, 9’, OmeU, digital JEHONË / ECHO XK 2022, R: Ana Morina, 8’, OmeU, digital SHPIJA / HOME XK 2022, R: Flaka Kokolli, 7’, ohne Dialog, digital GARDHI / FENCE XK/HR/FR 2018, R: Lendita Zeqiraj, 15’, OmeU, digital KANGË E DEFA: FEMALE RHAPSODY IN KOSOVA DE/XK 2014, R: Vincent Moon, Fatime Kosumi, 29’, Dok, OmeU, digital |
12.09.23 Schaubühne Lindenfels 19 Uhr | Deutschlandpremiere KAH KQYRSHA PËRPJETË, E SHIHSHA VETEN PËRFUNI / AS I WAS LOOKING ABOVE, I COULD SEE MYSELF UNDERNEATH CH/XK 2022, R: Ilir Hasanaj, Dok, 62’, OmeU, DCP |
Lesung, Diashow & Film | Jörg Buttgereit
NICHT JUGENDFREI! TAGEBUCH AUS WEST-BERLIN


Mit NEKROMANTIK (1988), DER TODESKING (1989), SCHRAMM (1993) und anderen Titeln hat Jörg Buttgereit die Nerven und den guten Geschmack der hiesigen Bürgerlichkeit und darüber hinaus strapaziert und zugleich maßgebliche Impulse für den Horrorfilm gesetzt. In seinem im Juni veröffentlichten Buch „NICHT JUGENDFREI“ blickt er nun, im Alter von fast 60 Jahren, auf sein Schaffen zurück – nicht nur als Filmemacher und Special Effects-Supervisor, sondern auch als Comicautor, Theater- und Hörspielregisseur. Dabei bietet das Buch einen höchst unterhaltsamen und reich bebilderten Einblick in das Entstehen der Filme, das bestimmt war von geringen Budgets und einem DIY-Spirit, der vor detaillierten Wundinszenierungen und aufwändig konstruierten Körperflüssigkeits-Fontänen nicht zurückschreckte. In der Rückschau auf seine Jugendjahre erweist sich Buttgereit zudem als sachkundiger Kenner diverser Musik- und Filmphänomene – angefangen von Martial Arts-Streifen und Monsterfilmen bis hin zur Punkkultur. Damit liefert er nicht nur Antworten auf die Frage, welche subkulturellen Einflüsse ihn geprägt haben, sondern er zeichnet im Vorübergehen zudem ein Porträt des Berliner Undergrounds in den Wendejahren.
NEKROMANTIK
DE 1988, R: Jörg Buttgereit, D: Beatrice Manowski, Daktari Lorenz, Harald Lundt, 75’, dt. OV, 35mm


Das Label des Skandalfilms verstellt den Blick auf die Sinnlichkeit, die in Jörg Buttgereits Langfilm-Debüt steckt: Bereits, wenn zu Filmbeginn Uwe Bohrers präzise Kamera den Schauplatz eines Autounfalls zu hypnotischen Soundtrackklängen abschreitet und uns so erstmals deformierte Körper vorführt, ahnt man, dass wir es hier mit weit mehr als mit kalkulierten Schocks zu tun haben. Diese Blicke haben etwas Zärtliches, sie haben mit der Liebe zum Gebastelten und der Faszination für die Unzulänglichkeiten des Körpers zu tun.
„Jede Gesellschaft bekommt die Filme, die sie verdient“, hat Buttgereit einmal gesagt. Und so folgt später eine Parallelmontage, in der die Häutung eines Kaninchens mit einer Leichenobduktion verschränkt wird, bis plötzlich eine Gartenzwergfratze aufpoppt. Wir sind in einer Kleingartensiedlung – der ultimative Horror? NEKROMANTIK ist manchmal eben auch eine Komödie. Solche Szenenwechsel braucht es wie die Kalauer und den Splatterslapstick vielleicht auch, um die seelischen Abgründe drumherum erträglich zu machen.
Die Geschichte ließe sich als Psychogramm eines Mannes beschreiben, der die Haftung zur Welt verloren hat, den seine Traumabewältigung in Zonen absteigen lässt, in die ihm niemand mehr zu folgen bereit ist. Dabei scheint es in den eigenen vier Wänden zunächst gut zu laufen. Betty teilt Robs Vorliebe für Leichen. Als sie ihn verlässt, bricht seine ohnehin brüchige Welt in zwei. Eine Passionsgeschichte in extremen Bildern.
Do 7 Sept | UT Connewitz |
19:00 Uhr | Lesung und Präsentation auf Deutsch € 11 VVK / 12 AK |
Special | MILIEU-KINO
NUMMERN-PROGRAMM-WANDERKINO


Die Blütezeit des europäischen Wanderkinos erstreckte sich über die Jahre 1896 bis 1914. Mangels ortsfester Kinogebäude war Film damals flüchtig und trat selten als abendfüllendes Kulturangebot, sondern häufig in anderen Unterhaltungskontexten in Erscheinung: zum Beispiel auf Jahrmärkten als Kurzfilmrolle aus märchenhaften Trickfilmen, lustigen Sketchen und Aktualitäten im Stile von Wochenschauen. An die Idee des Wanderkinos anknüpfend steht das Milieu-Kino am 10.09. – Tag des offenen Denkmals – am Fortuna, dem ehemaligen Kino der Jugend. Dort zeigen wir Raritäten aus der reichen Geschichte der Nummernprogramme: handkolorierte Animationsfilme, erotische Pikanterien, anarchistische Slapstick-Einlagen, Röntgenfilme und Raubtier-Verfolgungsjagden. Der Ein- und Ausstieg ins Programm ist zu jeder Zeit möglich. Das Team des Fortunas bietet zudem Führungen durch das Gebäude an und informiert über seine Bemühungen rund um den Erhalt des Gebäudes und die Etablierung eines stetigen Kulturbetriebs.
Do 7 Sept | MILIEU-KINO Fortuna (Kino der Jugend) |
14:00 -18:00 Uhr | € Eintritt gegen Spende |