NU AȘTEPTA PREA MULT DE LA SFÎRȘITUL LUMII





RO/LU/FR/HR 2023, R: Radu Jude, D: Ilinca Manolache, Ovidiu Pîrșan, Nina Hoss, 163′, OmeU, DCP
Wir folgen Angela, einer überarbeiteten Produktionsassistentin, auf ihren Fahrten durch Bukarest. Sie ist genervt, flucht, spuckt, trinkt unablässig Energy Drinks und ist unterwegs, um Videos von Casting-Kandidat:innen für eine Kampagne zur Sicherheit am Arbeitsplatz zu drehen, die ein multinationales Unternehmen in Auftrag gegeben hat. Ovidius, ein gelähmter Arbeiter, bekommt die Rolle. Als er vor der Kamera enthüllt, dass sein Arbeitsunfall durch Fährlässigkeit seitens des Unternehmens verursacht wurde, sieht er sich gezwungen seine Geschichte neu zu erfinden.
Furios setzt Jude in seiner absurden, knochentrocken-satirischen Version der Apokalypse Zeiten, Materialien, Handlungsstränge und ästhetische Welten miteinander in Beziehung: Angelas Fahrten etwa werden mit Szenen aus ANGELA DRIVES ON (1981) von Lucian Bratu verwoben, in dem eine Angela aus einer früheren Generation ein nicht notwendigerweise besseres Leben als Taxifahrerin im sozialistischen Rumänien führt. Dazu kommen popkulturelle Referenzen, die einen gewissen Nihilismus verstärken: Angela macht als misogyne Kunstfigur Bobita zum Spaß Tik Tok-Videos mit einem karikierten Andrew Tate-Filter. Vollgepackt mit Details seziert der Film einen spätkapitalistischen Zeitgeist mit seinen faschistischen Untertönen. Dabei ist es auch ein Film über die (manipulative) Produktion von Bildern: in einer 40-minütigen Einstellung schauen wir dabei zu, wie ein Narrativ produziert wird.
So 15 Sept | Luru Kino in der Spinnerei |
19:00 Uhr | € 7 (6 ermäßigt) |



FR/DE 2024, R: Guillaume Cailleau, Ben Russell, 216’, OmeU, DCP
Eine der bekanntesten autonomen Zonen Europas, auf französisch „zone à défendre“ (ZAD), befindet sich in der Nähe von Nantes. Um eine Flughafenerweiterung und einhergehende ökologische Schäden zu verhindern, wurde dort Mitte der 2000er Jahre Land besetzt. Im Laufe der folgenden Jahre wuchs das Areal auf nunmehr über 1500 Hektar an, Akteur:innen zahlreicher linker politischer Gruppen leben dort dauerhaft und wehrten mehrere staatliche Räumungsversuche ab.
Die Dokumentaristen Ben Russell und Guillaume Cailleau haben die ZAD über zwei Jahre hinweg regelmäßig besucht und schildern in DIRECT ACTION den naturnah organisierten Alltag der Bewohner:innen. Von der Darstellung Subsistenz sichernder Tätigkeiten, wie Care-Arbeit und Lebensmittelherstellung, gelangt der Film zu dezidiert politischen Aktionen, der Vorbereitung von Demonstrationen etwa.
Dabei interessiert sich DIRECT ACTION weniger für die Motivationen der Akteur:innen als viel mehr für deren Verrichtungen in einem ganz materiellen Sinne: Was sind die konkreten Verhältnisse, unter denen sie vollzogen werden? Und wichtiger noch: welche Zeit nehmen sie in Anspruch? Hierin, also der Kopplung der Erzählgeschwindigkeit an die Echtzeit des Dargestellten, sowie in den statischen, präzise kadrierten Einstellungen wird die filmische Form selbst politisch.
So 15 Sept | Luru Kino in der Spinnerei |
13:00 Uhr | In Anwesenheit von Guillaume Cailleau € 7 (6 ermäßigt) |
Retrospektive | BAD GIRLS GO TO HEAVEN




US 1974, R: Doris Wishman, D: Chesty Morgan, Frank Silvano, Saul Meth, 73’, DF, 35mm
Genuine Outsider-Art: Doris Wishman drehte Filme so wie niemand sonst. Am Anfang stehen bei ihr die Filmtitel und Atmosphären, die die Fantasie der Filmautodidaktin beflügeln, dann kommen beim Dreh die markanten Visagen der Gelegenheitsdarsteller:innen, knallige Interieurs, exaltiert selbstbestimmte Frauenfiguren und allerlei cheap thrills hinzu. Was es jedoch im Wishman-Kosmos von Anfang an nicht gibt, sind anständige Budgets, die die besagten thrills authentisch aussehen ließen, sowie konzise Stories. Letztere entstehen bei ihr erst im Schneideraum und beim Prozess des Dubbing. Das gibt dem Endresultat einen unbedingt surreal traumwandlerischen Touch. Auch DOUBLE AGENT 73 ist assoziative Pulp Fiction, eine lose Abfolge von Agenten- und Erotikfilmszenerien – und kein Spannungsfilm im klassischen Sinne.
Classy ist hingegen Chesty Morgan, eine Stripteasetänzerin polnischer Abstammung, mit der Wishman im Jahr zuvor bereits einen Film mit dem vielsagenden Titel DEADLY WEAPONS drehte: Morgans massive Oberweite ist auch in DOUGLE AGENT 73 das Centerpiece des Films, weit weniger Lustobjekt als Bedrohung für alle Männer, die ihren Weg kreuzen. Wenn man sich auf diesen Camp einlässt, der nicht zuletzt in John Waters einen glühenden Verehrer hat, erwartet einen ein Fiebertraum aus High Heels, Tapetenmustern und stickigen Hinterzimmern.
Sa 14 Sept | Luru Kino in der Spinnerei |
22:00 Uhr | € 7 (6 ermäßigt) |
Retrospektive | BAD GIRLS GO TO HEAVEN






US 1973, R: Stephanie Rothman, D: Ena Hartman, Barbara Leigh, Tom Selleck, 88’, engl. OV, 35mm
Ein Exploitationfilm, der unterschiedlichste Motive des marktförmigen Genrekinos der 1970er Jahre vereint und dabei männlich geprägte Genrekonventionen durcheinanderwirbelt: Stephanie Rothmans erster und einziger Actionstreifen ist halb Outdoor-Gefängnisfilm, halb gesellschaftskritische Dystopie à la ESCAPE FROM NEW YORK.
„No Walls, No Guards, No Rules”. Um Mörder:innen aus der Gesellschaft zu verbannen, schiebt man sie kurzerhand auf eine isolierte Insel, auf Terminal Island, ab. Hier sind die Verurteilten ganz – und unter Applaus der „Rechtschaffenden“ – ihrem Schicksal überlassen. Wo jedes Recht abwesend ist, gilt das Faustrecht der oder des Stärkeren. Die Dystopie des alttestamentarischen Zahn-um-Zahn interessiert das Kino über die Dekaden hinweg immer wieder. Was Rothman, die Spezialistin für komödiantische Ensemblefilme, daraus macht, zollt einerseits der „Spektakellogik“ des eskalationsfreudigen Bahnhofskinos mit ausstaffierten Gore- und Erotikeinlagen Tribut, ist andererseits aber auch ein ernsthafter Blick auf ein Szenario, das nicht nur einfach rechtlos ist, sondern auch neuen Formen menschlichen Zusammenlebens abseits von Rassismus, Sexismus und von Klassengegensätzen zulassen könnte.
Sa 14 Sept | Luru Kino in der Spinnerei |
20:00 Uhr | Mit einer Einführung zum Filmdoppel des Abends von Silvia Szymanski (Autorin und Filmkritikerin) € 7 (6 ermäßigt) |