Vorverkauf gestartet für Lucrecia Dalts Vertonung von DER GOLEM

We’re back! Vom 16. bis 26. April laufen die GEGENkino-Motoren wieder heiß: Im Luru-Kino in der Spinnerei, in der Schaubühne Lindenfels, im Institut fuer Zukunft und im UT Connewitz.
Eines unserer diesjährigen Highlights ist die Deutschlandpremiere der Livevertonung des Films DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM durch die Wahlberlinerin Lucrecia Dalt:
Am Freitag, 17. April 2020 um 21 Uhr im UT Connewitz.

T I C K E T S für 10 Euro (zzgl. evtl. Gebühr) gibt es bei culton im Peterssteinweg 9 und online bei tixforgigs.

Einigermaßen untergründig mutet die Vertonung des expressionistischen Klassikers des Weimarer Kinos DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM von Paul Wegener und Carl Boese aus dem Jahr 1920 an. Vielleicht auch bodenständig im besten nur denkbaren Sinn: Die Geschichte um Rabbi Löw, der die Lehmfigur Golem erschafft, um die drohende Vertreibung der Bewohner*innen des jüdischen Ghettos im Prag des 16. Jahrhunderts abzuwenden. Aus einer Verkettung unglücklicher Umstände heraus wendet sich die Figur in der Folge gegen seinen Schöpfer. Die von Hans Poelzig für den Film entworfenen Bauten waren wegweisend für weitere Filmarchitekturen, bis heute gilt der Film als Vorbild und Referenz für das Horrorfilmgenre. Allerorten bedrängende Phantasmagorien, Alpträume von einer Welt, deren menschliche Gesichter Fratzen, deren Straßen steile Gebirgspfade, deren Behausungen windschief und einsturzgefährdet sind.

Ähnlich der Magie, die dem Lehm eingehaucht wird und ihn zum Golem werden lässt, wird die kolumbianische Soundkünstlerin und ehemalige Geotechnikerin Lucrecia Dalt mit ihren tiefen Bassfrequenzen den Filmbildern neue Stimmungen und Abgründe auferlegen.

Lucrecia Dalt ist eine international gebuchte wie gefeierte Musikerin und Performerin. Seit 2005 verfeinert sie ihren Zugang zu elektronischer Musik stets weiter, bewegt sich in akademischen wie musealen Settings als auch in Clubkontexten. In ihren subtilen Klanglandschaften unterwandert sie allzu rigide Formvorstellungen, experimentiert mit südamerikanischen Rhythmiken, geloopten Drone-Sounds und ungewöhnlichen Spoken Word-Passagen. Unter Einsatz von Gitarrensounds, Bass, Perkussion, Computern und Midi-Controllern kombiniert sie minimalistische Strukturen mit philosophischen Ideen. Ihr Stücke wabern als avantgardistische Ambient-Wolken durch die Luft und suggerieren den Zuhörenden, dass Dalt von einer Welt weiß, von der wir einstweilen nur träumen können. Das geologische Framework hat sie auf ihren musikalischen Ansatz übertragen: Sie vergleicht ihr Songwriting mit Boden- und Felsschichten, die sich als eine Masse auf der Erdoberfläche abgelagert haben, dabei aus Einzelelementen mit individuellen Charakteristiken zusammengesetzt sind. Metallischer Lärm und ätherischen Klängen können bei ihr für sich stehen, ergeben dann aber zusammen im klanglichen Kontext ein neuartiges, surrealistisch-angehäuftes Terrain. In ihren Worten: What is at the bottom has the opportunity to reshape the present, let’s say, or a certain specific present. Then it seems as if we have to think about time not in this linear way, and I like that.

DER GOLEM, WIE ER IN DIE WELT KAM
(D 1920, R: Paul Wegener, Carl Boese, D: Paul Wegener, Albert Steinrück, Lyda Salmonova, Ernst Deutsch, 76′, viragiert, DCP)

An dem Abend läuft die 2018 frisch restaurierte Fassung der Murnau-Stiftung, die eine möglichst authentische Annäherung an die verlorene deutsche Fassung darstellt.

Wir sehen uns!

Sexy Durga (IN 2017) / The Nothing Factory (PT 2017)

Oh, the end is drawing near! Today is the last day of this year’s GEGENkino festival and we hope you had some inspiring, insightful and/or intense moments. Thank you all!We’ll close off the festival with two feature films and one short film as part of our programme section “HOW TO RESIST…”: At 6pm at Schaubühne Lindenfels, we’ll screen Sanal Kumar Sasidharan hitchhike/road trip/odyssey film SEXY DURGA, in which “Sasidharan reflects Indian independent cinema’s emerging feminist moment” as some commentators have it. There’ll be an opening film to SEXY DURGA that is JODILERKS DELA CRUZ / EMPLOYEE OF THE MONTH by Carlo Francisco Manatad, one of the most interesting young directors from the Philippines, whose film scene seems to really flourish right now. At 8pm then, finishing off our festival, there’ll be a screening of the Portuguese proletarian strike film THE NOTHING FACTORY by Pedro Pinho – another film that, in portraying a group of factory workers’ struggle for the protection of their job and existence, blends fiction film and documentary in very unique way. (Shot on one of our favourite materials: 16mm!) We hope to see you all again today!

So 15. April 2018
Schaubühne Lindenfels
HOW TO RESIST…
18 UhrSEXY DURGA (IN 2017 R: Sanal Kumar Sasidharan 85’ OV englischen Untertitelt)
+ Vorfilm: JODILERKS DELA CRUZ / EMPLOYEE OF THE MONTH (PHL/SGP 2017 R: Carlo Francisco Manatad 13’1
20 UhrTHE NOTHING FACTORY (PT 2017, R: Pedro Pinho 177’ OV englisch Untertitelt)

SEXY DURGA

IN 2017, R: Sanal Kumar Sasidharan, D: Rajshree Deshpandey, Kannan Nair, Vishnu Vedh, OmeU, 85’, DCP

Zu Beginn weiße Schrift auf schwarzem Grund: eine Episode aus dem Epos Ramayana erzählt die Verstümmelung der Shurpanakha durch Ramas Halbbruder Lakshmana. Das Schwarz blendet ab und entlässt ins Fest Garudan Thookam im südindischen Kerala, in dem der Blutdurst Kalis, einer Verkörperung der Gottheit Durga, rituell gestillt werden soll. Körper fallen in Ekstase, Haken fahren in menschliche Haut, Maskulinität wird performt, Handys filmen. Dann Wechsel: eine Straße bei Nacht. Das junge Paar Durga und Kabeer will weg. Sie Hinduistin aus dem Norden, er Muslim aus dem Süden. Ein Kleinbus hält, sie steigen ein. SEXY DURGA macht erfahrbar, aus welcher Haltung und Atmosphäre heraus sexuelle Gewalt im öffentlichen Raum entstehen kann. Die Attributierung im Filmtitel ist zudem ein Affront für religiöse Hardliner. Durga, die keinem männlichen Gott zugeordnet ist, wird im Hinduismus tief verehrt. Die erotisierte Assoziation ist provokant und eine Figur dieses Namens, die auf beklemmende Weise die Mechanismen patriarchaler Unterdrückung offenlegt, war bis vor kurzem noch Anlass eines Verbots des Films. Sanal Kumar Sasidharan dekonstruiert Mythen und soziale Dynamiken und arbeitet dabei gekonnt mit Erwartungshaltungen und Ängsten. Die Kamera ist durchweg entfesselt und frei, seine zwei ProtagonistInnen versuchen es ihr gleich zu tun.


Vorfilm

JODILERKS DE LA CRUZ (EMPLOYEE OF THE MONTH)

PHL/SGP 2017, R: Carlo Francisco Manatad, D: Angeli Bayani, Ross Pesigan, OmeU, 13’ DCP

JODILERKS DELA CRUZ schildert einen Abend an einer Tankstelle. Der letzte einer Angestellten, die früher einmal motiviert war. Jetzt ist da nur noch der unendlich lärmende Verkehr, aus dem kaum jemand mehr anhält. Mit ihren willkürlichen Handlungen spiegelt die Protagonistin die Gesellschaft um sie herum wider. Ein amüsanter, boshafter Seitenhieb von einem Film.


THE NOTHING FACTORY

PT 2017, R: Pedro Pinho, D: José Smith Vargas, Carlo Galvão, Njamy Sebastião, 177’, OmeU, DCP

Während eines nächtlichen Einbruchs werden Maschinenteile aus einer Fahrstuhlfabrik entwendet. Sofort folgt die Bewusstwerdung der ArbeiterInnen, dass die Verwaltung die Sabotage plante, um mit jämmerlichen Abfindungszahlungen elegant im Finanzkrisensumpf zu verschwinden. Da ein Streik, zumal keine Arbeit vorhanden ist, wirkungsfrei bliebe, kehren die ArbeiterInnen ihren Protest in eine Besetzung um, in den Kampf um das Recht auf Arbeit. An dieser Stelle beginnt die Tätigkeit der NOTHING FACTORY. Stilllebengleich inszeniert Pinho auf körnigem 16mm-Material die öden Räume, in denen ausgeharrt, Fußball und Schach gespielt sowie über Empowerment und Garantien innerhalb kapitalistischer Arbeitsverhältnisse diskutiert wird. Nach und nach dünnt die Gruppe aus, einige gehen auf die in unangenehmen Einzelgesprächen vermittelten Abfindungsangebote ein, schließlich artet die Langeweile des harten Kerns in eine kuriose Musical-Performance aus. Das Sujet des Films erinnert aufgrund seiner Reflektion der sozialpolitischen Realität Portugals unweigerlich an klassische Streikfilme der 1970er wie Petris DIE ARBEITERKLASSE GEHT INS PARADIES oder Fassbinders ACHT STUNDEN SIND KEIN TAG, doch verliert Pinho bis zum Ende seinen Humor nicht. Bemerkenswert macht den Film sein selbstreferentieller, sogar dokumentarischer Kontext: fast der gesamte Cast arbeitet tatsächlich in Fabriken, ein skurriler Filmemacher verfolgt das Geschehen, schließlich erinnert der Fall an eine reale kollektiv verwaltete Fahrstuhlfabrik.

Heute | The Streets Are Not Enough – How To Resist On Screen

Thank you all very much for the unique evening yesterday! Thanks to Raster, IfZ, Pedro Maia, Robert Lippok, Grischa Lichtenberger, Mieko Suzuki, everyone we forgot and to all of you!
Now it’s only two more days of GEGENkino for this year—both of which will be under the question that we concerned ourselves quite a lot with is curating this year’s program: how to resist (on screen)? What is politically involved filmmaking, film activism, what are cinematic forms of resistance …? Today and tomorrow at Schaubühne Lindenfels we want to introduce new and interesting positions in regard to those questions to you.

Starting off today at 6pm with a panel discussion that we put under the headline “The Streets Are Not Enough – How To Resist On Screen“. Artists/activists Angelika Nguyen, Julia Lazarus and Filipa César will be on stage joined by Claus Löser who’ll do the moderation. Read more about the panel and the people on the panel below or in our programme booklet: http://2018.gegenkino.de
Afterwards, we’ll have a double screening of tho filmmakers, whose work and whose form of political film/video art we found very salient.
At 8pm, Filipa César will present her most recent feature-length film SPELL REEL—a cinematic essay about the importance of film archives in retracing the history of colonialism (in this particular case , the history of the liberation war in Guinea-Bissau). There’ll be a Q&A with Filip César after the screening.
At 10pm, we’ll show a selection of works by Turkish video artisst belit sağ. Her questioning of the image and the tracing-down of the ideology that flows in every picture puts her work in kinship with those of Hito Steyerl and Harun Farocki for example.

Sa 14. April 2018
Schaubühne Lindenfels
HOW TO RESIST…
18 UhrThe Streets Are Not Enough – How To Resist On Screen
TALK w/ Angelika Nguyen, Julia Lazarus, Filipa César & Dr. Claus Löser
20 UhrSPELL REEL (D/PT/F/GNB 2017)
D: Filipa César 96’ OV w/ English subtitles
22 Uhrbelit sağ – Störfeuer im Bedeutungsraum
SHORT FILM REEL (NL/TR 2014-2017) Σ 60’
OV w/ English subtitles

Podium mit Filipa César, Julia Lazarus, Angelika Nguyen & Claus Löser

THE STREETS ARE NOT ENOUGH! HOW TO RESIST ON SCREEN

Um darüber sprechen zu können, an welchen Orten und auf welche Weisen wir mit filmkünstlerischen Positionen Hierarchien aufbrechen und Ungerechtigkeiten entgegentreten, muss der diesjährige Podiumstitel The Streets Are Not Enough! How To Resist On Screen zusätzlich umgekehrt werden. Denn einzig Straßen und Räume sind für die Artikulation von Protest nicht genug. Ebenso wenig funktionieren audiovisuelle Werke widerständigen Denkens losgelöst von bestimmten Orten der Rezeption oder deren gezielten Einbettung in öffentliche Diskurse. Es sollte also gleichermaßen gelten: Just Films Are Not Enough! Nicht zuletzt sind Filme selbst ebenfalls Orte der Imagination, Erfahrung und Auseinandersetzung, deren Herstellungsbedingungen, formale Ästhetiken und Intentionen maßgeblich mit Räumen und Strukturen zusammenhängen, die FilmemacherInnen beim Arbeiten vorfinden, die sie einfordern und im besten Fall auch mitgestalten. In filmischen Narrativen werden zentrale Themen gesellschaftlichen Zusammenlebens wie Rassismus, Identität, Ausgrenzung und Teilhabe konstruiert, verhandelt und in Beziehung gesetzt. Ist dabei die Zielsetzung nicht stets einen unausgesprochenen Scheinkonsens fortzubeten oder fundamentale Ungerechtigkeiten auszuklammern oder schönzureden, müssen die genannten Aspekte divers gedacht, unangenehm perspektiviert und widerständig in Szene gesetzt werden. Wir als Filmfestival stellen uns die Frage, wie eine Gesellschaft, ein Festival, Kollektiv oder Ausstellungsraum dazu beitragen kann, involvierende Kunst angemessen zu präsentieren und zu fördern? Welche Machtstrukturen begünstigen Verbote und Verfolgung? Welches Spannungsverhältnis besteht zwischen etablierten Produktions- und Distributionswegen und davon unabhängigen Formen? Was kann wo, wie erzählt, gezeigt, angegriffen werden? Wann wird ein Bild zum Gegenbild? Wie sehen Gegenbilder aus und: Gibt es so etwas überhaupt? Darüber unterhalten sich auf unserem Podium in der Schaubühne Lindenfels Angelika Nguyen (Filmwissenschaftlerin und Kritikerin), Julia Lazarus (Filmemacherin und Kuratorin) und Filipa César (Künstlerin und Filmemacherin) in einem ca. 90-minütigen Gespräch, moderiert von Claus Löser (Autor und Kurator). Gespräch in deutsch.

Angelika Nguyen, Jahrgang 1961, studierte an der HFF in Potsdam- Babelsberg Filmwissenschaft, arbeitet als Filmjournalistin, Referentin und Aktivistin. Thematische Schwerpunkte: filmische Darstellung von Minderheiten, Ausgrenzung und Rassismus; Darstellung „wahrer Begebenheiten“ in filmischen Erzählungen; Film als politische Reflektion seiner Zeit; Widerstand gegen Mehrheitsgesellschaft im Film; Erzählstrategien in Dokumentar- und Spielfilm.

Julia Lazarus ist Künstlerin, Kuratorin und Filmemacherin und lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte an der Universität der Künste Berlin und am California Institute of the Arts in Los Angeles, USA. Ihre Filme sind im Vertrieb bei Sixpackfilm Wien und bei e-flux, Berlin/New York. Ausstellung und Screenings u.a.: Depo Istanbul, District Berlin, IG Bildende Kunst Wien, Galerie Funke Berlin,  Schwules Museum Berlin, Manifesta Murcia, NGBK Berlin.

 www.julialazarus.com

Filipa César, Künstlerin und Filmemacherin, lebt seit 2001 in Berlin. Ihre Filmische Arbeiten stellen performative Räume zur Verfügung, in die sich subjektives Wissen und Gegenerzählungen einschreiben können. 2011 initiierte Filipa César das Recherche-Projekt „Luta ca caba inda“ mit dem sie uunter anderem an „Living Archive“ und „Visionary Archive“ beim Arsenal – Institut für Film und Videokunst beteiligt war. César prämierte ihren ersten feature-length Dokumentarfilm SPELL REEL im Forum der Berlinale 2017. Screenings ihrer Filme u.a. in: Kurzfilmtage Oberhausen, International Film Festival Rotterdam, DocLisboa, Istanbul Biennial, Tate Modern London, São Paulo Biennale, Jeu de Paume Paris, mumok Vienna, MoMA New York, Sonic Acts Amsterdam.


In Anwesenheit von Filipa César.

SPELL REEL

D/PT/F/GNB 2017, DOK, R: Filipa César, OmeU, 96’, DCP

Die Anfangssequenz, Bild im Bild: Auf dem Kopf stehendes, deutlich in Mitleidenschaft gezogenes Filmmaterial eines Waldgebietes. Parallel erscheint ein Schriftzug, der die zu sehenden Menschen als UnabhängigkeitskämpferInnen enthüllt. Die analogen Aufnahmen werden vorübergehend von Digitalbildern ersetzt, diese verdrängen die analogen jedoch nie vollends – durch die phasische Überlagerung der verschiedenen Materialien wird sukzessive ein Nebeneinander arrangiert. Cesar verknüpft auf diese Weise Archivaufnahmen aus der Zeit des Befreiungskrieges in Guinea-Bissau (1963-74), gefilmt von Guerillakämpfern Sana na N’Hada und Flora Gomes, mit Aufzeichnungen jüngerer Geschichte. Changierend zwischen Vergangenheit und Gegenwart inszeniert die Regisseurin Narrative, die sich permanent im Prozess befindend. Initiiert durch das Projekt „Visionary Archives“ des Arsenal Berlin ist SPELL REEL ein Rechercheprojekt, dass durch Reinszenierung von kurz vor dem Verfall stehendem filmischen Material zumindest fragmentarisch einen Teil der Geschichte des guinea-bissauischen Unabhängigkeitskampfes dokumentiert.


belit sağ – Störfeuer im Bedeutungsraum

AND THE IMAGE GAZES BACK(NL/TR 2014, 10’, englische OV, DCP)
MY CAMERA SEEMS TO RECOGNIZE PEOPLE (NL/TR 2015, 3’, OmeU, DCP)
SEPT. – OCT. 2015, CIZRE (NL/TR 2015, 15’, OmeU, DCP)
AYHAN AND ME (TR 2016, 14’, OmeU, DCP)
IF YOU SAY IT FORTY TIMES… (NL 2017, 5’, OmeU DCP)
GRAIN (NL 2016, 5’, OmeU, DCP)
DISRUPTION (AKSAMA) (NL 2016, 5’, OV, DCP)
CUT-OUT (NL/USA 2018, 4’, OmeU, DCP)

Die Arbeiten von belit sağ sezieren die komplexen Zusammenhänge von Bildproduktion und Ideologie, Sehgewohnheit und Normierung. Als Teil des Kollektivs „artıkişler“ und Mitinitiatorin verschiedener Projekte, etwa des unabhängigen, digitalen Archivs „bak.ma“, ist die in Amsterdamlebende Künstlerin stark verwurzelt im sozialkritischen Videoaktivismus aus Ankara und Istanbul. Ihre Bilder und Themen kommunizieren innerhalb der einzelnen essayistischen Werke und zwischen ihnen. Sie schaffen einen konkreten Anspruch an die Zuschauerschaft, sich aktiv zum Gehörten und Gesehenen zu verhalten. belit sağ zeigt, verweigert, zoomt, überlagert, verwischt, fragt und kommentiert. Bilder der Gewalt und die Gewalt der Bilder führen zu Überlegungen über Krieg, staatliche Repression und Widerstand. Die Verwebung ihrer subjektiven Perspektiven mit öffentlich verfügbarem Material schafft die Möglichkeit einer Re-Kontextualisierung, ein Aufbrechen von Hierarchie, Determination, Linearität und Bedeutungskonstruktion. Das eigene und das kollektiv geteilte Bildgedächtnis verhalten sich zueinander, irritieren und befruchten sich. Welche Verantwortung haben wir in Zeiten sozialer Krisen im Umgang mit der täglichen Bilderflut? Was sind die Bedingungen, die wir an unser eigenes Sehen stellen und die Kriterien seiner potentiellen Lenkung? Der Beschuss der kurdischen Stadt Cizre, die Medienstrategie des IS, die Bedeutung von TV-Sendern für Staatsstreiche, die politischen Morde in der Türkei der 1990er, die Opfer des NSU sowie populäre Ikonografien und Zensurbestrebungen sind multiple Facetten einer permanenten Dekonstruktion von Erinnerung, Repräsentation und Geschichte.

Meteorlar (NL/TR 2017, Gürcan Keltek) / I’m not a Witch (GB/F/D 2017 Rungano Nyoni)

Woah, what a show! Thanks a lot to Tomaga, UT Connewitz and everyone involved and of course thanks to all of you for coming around!

Today we’ll continue at Luru Kino with two films that we found particularly important to show and are happy to have in our programme. At 8pm there will be the German premiere of Gürcan Keltek’s METEORLAR – a very up-to-the-minute film as it deals with the situation of Kurdish people in the southeast in Turkey. METEORLAR intermingles documentary, journalistic and fiction filmmaking, uses landscape portrayals, poetry, interviews and acting, and in doing so creates a very unique cinematic language. Don’t miss it!

At 10pm, we’ll have a screening of I AM NOT A WITCH – Rungano Nyoni’s singular, strange Zambian witch-hunt fairy tale. Here’s a quote by Nyoni from an interview for MUBI Notebook: »I wanted to make it a fairy tale because I found a really good Zambian way of saying the story, without making it about Zambia. I grew up on fairy tales. I’ve always wanted to do this, actually. In a way, I was trying to get away­—perhaps as a first-time filmmaker this is a bit of a cliché—I was trying to get away from ›the arc.‹ It’s always ›the arc, arc, arc arc,‹ and I was trying to do something different. I was trying to do something that I grew up with, which is that my family used to tell me fairy tales and they were really particular. Fairy tales in general are very strange, but Zambian ones mix genres. They’re for kids, but they’re really violent, and they’re funny, and they mix magic realism. All of these things I wanted to take for my film. They are really musical. I was trying to do that.«

Make sure to be on time for both films as the seats at Luru Kino are quite limited. / Da die Plätze im Luru Kino recht begrenzt sind, empfiehlt es sich heute besonders pünktlich zu sein.

Thu 12 April 2018
Luru Kino
8 PMHOW TO RESIST…
METEORLAR / METEORS (NL/TR 2017)
D: Gürcan Keltek 98’ OV w/ English subtitles
[German Premiere]
10 PMJUNG & FRISCH
I AM NOT A WITCH (GB/F/D 2017)
D: Rungano Nyoni 98’ OV w/ English subtitles

Deutschlandpremiere

METEORLAR / METEORS

NL/TR 2017, Dok., Regie: Gürcan Keltek, OmeU/OV with English subtitles, 84’, DCP

Schatten, Schemen, Stein und Schnee fließen ineinander über. Eine Gruppe von Steinböcken wird aus der Ferne von Jägern fixiert. Grobkörnige, flackernde Bilder, eine Kreisblende. Wie aus den Anfängen des Kinos. Aus einer Zwischenwelt. Dann das Grauen des Krieges, Kampfjets, Explosionen, Einschusslöcher. In den Straßen: Wut und Widerstand. Schließlich folgt die Kamera ein Stück weit der Schriftstellerin und Schauspielerin Ebru Ojen Şahin, deren Zeilen das elegische Schwarz-Weiß begleiten. Ein heiliger Berg, religiöse Statuen, eine Sonnenfinsternis, Meteorschauer. Ein bemerkenswerter Film, der mit dokumentarisch und fiktionalen Fragmenten arbeitet, der abwechselnd klaustrophobisch und himmlisch bebildert, der aufgeladen ist mit Symbolik und politischer Brisanz. METEORS will das Schweigen brechen, Gegenbilder entwerfen, Zeugenschaft ablegen. In seiner poetisierten Machart verbindet er Naturmystik mit einem Aufschrei gegen staatliche Unterdrückung, die Bergregionen Südostanatoliens mit den urbanen Landschaften belagerter Ortschaften. Wie an etwas erinnern, was nicht stattgefunden haben darf?


I AM NOT A WITCH

GB/F/D 2017, Regie: Rungano Nyoni, DarstellerInnen: Margaret Mulubwa, Henri BJ. Phiri, Nancy Mulilo, 98’, OmeU/ OV with English subtitles, DCP

Dass Shula keine magischen Kräfte hat, sondern ein kaum zehn Jahre altes, auf sich allein gestelltes Kind ist, wird jedem zu Beginn unmittelbar klar. Allerdings ist sie in der Nähe, als eine Frau beim Wasserholen stürzt. Absurd! Aber Grund genug, dass Teile einer sambischen Dorfgemeinde sie der Hexerei bezichtigen. Das Urteil ist schnell gesprochen und die schweigende Shula wird in ein Witch-Camp verfrachtet und als Attraktion für Selfie schießende Westerner ausgestellt. Von den älteren Mithexen erfährt sie allerdings Schutz und Gemeinschaftssinn. Nachdem der Regierungsbeamte Mr. Banda verkündet: „You are my little witch now“, entspannt sich ein grotes-ker Parcours. Rungano Nyoni verhandelt in I AM NOT A WITCH Themen wie Misogynie und Aberglauben, aber auch die An- und Abwesenheit von weiblichem Empowerment sowie die Solidarität zwischen Unterdrückten. Erzählerisch changiert der Film zwischen schwarzhumoriger Satire, Märchen und präzise auf den Punkt gebrachter feministischer und globaler Gesellschaftskritik.

Medium Cool (USA 1969, Haskell Wexler) / Camera Person (USA 2016, Kirsten Johnson)

Hey peeps! Today marks the start of our “HOW TO RESIST ON SCREEN” programme section, in which we’ll deal with cinema and film as resistant media, as vehicles of protest and of political engagement.
We’ll start off at 8pm at UT Connewitz with an almost forgotten classic of “protest cinema”: Haskell Wexler’s 1969 film MEDIUM COOL, which shows and comments on several street protests in Chicago in 1968 and in doing so interrogates the medium of film camera and its role in processes of political transformation. We’re very happy to have film curator, historician and journalist Ralph Eue coming to the screening to introduce the film.
At 10pm we’ll see a film that raises quite similar issues as MEDIUM COOL did, but on a more personal level: Kirsten Johnson’s CAMERAPERSON is an arrangement of material Johnson collected during her work as a camera person for Laura Poitras, Michael Moore, Kirby Dick and others becoming an essay on the relations between subject, camera and object.

Do 10. April 2018
UT Connewitz
HOW TO RESIST…
20 UhrMEDIUM COOL (USA 1969)
R: Haskell Wexler 111’ English OV
22 UhrCAMERAPERSON (USA 2016)
R: Kirsten Johnson 103’ OV mit englischen Untertiteln

Einführung von Ralph Eue

MEDIUM COOL

USA 1969,  111’, OmeU, DCP, Director: Haskell Wexler
with: Robert Forster, Verna Bloom, Peter Bonerz

In Chicago wird 1968 nicht nur gegen den Vietnamkrieg demonstriert, sondern auch gegen sexuelle Diskriminierung und Rassenhass. Während des Wahlkonvents der Demokraten versucht die Polizei diese Proteste mit äußerster Härte zu unterbinden. “The whole world is watching” rufen die Demonstranten, als sie sich der Macht der anwesenden Kameras bewusst werden. Die politischen Unruhen sind der Hintergrund für das Regiedebüt des bis dahin als Kameramann arbeitenden Haskell Wexler, in dem er Fact und Fiction auf bis dahin noch nicht gekannte Weise miteinander verwebt – und zwar die Geschichte rund um den Fernsehkameramann John Cassellis und die gewaltsamen Ereignisse auf der Straße. Neben der medienpolitischen Frage nach der Wirkmacht der Kamera zu einem Zeitpunkt, als die Handylinse noch keine (unsichere) Möglichkeit bot, seine Rechte gegenüber staatlicher Gewalt zu schützen, verhandelt MEDIUM COOL auch berufsethische Fragen des Bilderherstellens: Anfänglich liefert John seinem Sender reißerische Aufnahmen von Unfällen, Katastrophen und den Ausschreitungen während der Demonstrationen. Als er erfährt, dass die Senderbosse dem FBI Material zuspielen, um Dissidenten ausfindig zu machen, gerät er an seine moralischen Grenzen.

Einführung: Ralph Eue arbeitet als Filmkurator, u.a. bei DOK Leipzig, Publizist, Filmhistoriker und Fernsehjournalist.

Hier ist ein interessantes Interview mit Waxler für das VICE Magazin über diesen Film:


CAMERAPERSON

USA 2016, 103’, Dok, OmeU, DCP
Regie: Kirsten Johnson

Danach, was es heißt, jemanden zu filmen, was dabei mit den Menschen vor und hinter der Kamera passiert, fragt auch Kirsten Johnson. Sie reist seit 25 Jahren als “Cameraperson” durch die Welt und dreht unter schwierigsten Bedingungen für renommierte DokumentarfilmemacherInnen wie Laura Poitras, Michael Moore und Kirby Dick. In ihren filmischen Memoiren blickt sie nun auf diverse Projekte zurück und schildert persönliche Erfahrungen. Eine nigerianische Hebamme versorgt ein Neugeborenes mit Sauerstoff, ein afghanisches Mädchen marschiert entschlossen zu seiner Schule in Kabul, eine junge Frau aus Alabama im Gespräch während einer Abtreibungsberatung. Diese und andere Szenen werden collageartig  montiert – zumeist aus dem Rohmaterial bedeutender Dokumentarfilme der letzten beiden Jahrzehnte, zu denen Johnson die Bilder lieferte, darunter CITIZENFOUR (2014), THE OATH (2010)  – über zwei Schwäger aus dem engen Umfeld Osama bin Ladens – und PRAY THE DEVIL BACK TO HELL (2007), in dem die Aktionen einer feministischen Friedensbewegung in Liberia geschildert werden. Im Zentrum von Johnsons Betrachtung steht dann immer wieder die Beziehung zwischen BildermacherInnen und ihren Subjekten und der Zusammenhang zwischen vorgefundener Realität und gestalteter Erzählung.