Sarah Joue Un Loup-Garou (CH/D 2017, Katharina Wyss) / Tesnota (RU 2017, Kantemir Balagov)

Hope you all enjoyed our homage to the Harvard Sensory Ethnography Lab! Today we’ll head over to UT Connewitz again and continue with two début feature films that impressed us very much, when we stumbled upon it back then:

At 8pm there’ll be the Leipzig premiere of teenage drama SARAH JOUE UN LOUP-GAROU and we’re happy to have director Katharina Wyss coming to the screening to present her film and offer a Q&A.
And at 10pm we’ll show TESNOTA by Alexander Sokurov’s student Kantemir Balagov about a Jewish-Russian community during the dawn of the Second Chechen War. Unfortunately, Balagov can’t make it to the screening today, but still it’s very much worth it to come and watch. Read more about the films below.

Mo 09. April 2018
UT Connewitz
20 UhrSarah Joue Un Loup-Garou (D/CH 2017)
R: Katharina Wyss 86’ OV mit englischen Untertiteln
22 UhrTesnota / Closeness (RUS 2017)
R: Kantemir Balagov 118’ OV mit englischen Untertiteln

In Anwesenheit von Katharina Wyss

SARAH JOUE UN LOUP-GAROU

CH, D 2017, 86’, OmeU, DCP, Regie: Katharina Wyss, mit: Loane Balthasar, Michel Voïta, Manuela Biedermann

Mit dem Ende der Pubertät ist es eigentlich schon vorbei und alles ist entschieden: Die intensivsten Erfahrungen sind gemacht und das Leben jetzt ist nur obligatorisches Nachspiel und Abspann. Der Entdeckung des eigenen Willens folgt ein sich Sich-Abfinden mit den Bahnen, in die das Leben – zufällig oder gewollt – geronnen ist. Beziehungen zu anderen Menschen bilden und erhalten sich nur noch gemäß schon bekannter Strukturen. Zwar stellt die Kunst in diesem Leben noch einen Ort für höhere Gefühle und Erlebnisse dar, aber bleibt vom eigenen Leben, wie man sich eingestehen muss, immer entkoppelt. – Ein solches Endzeit-Szenario zeichnet Katharina Wyss in ihrem Début-Spielfilm SARAH JOUE UN LOUP-GAROU (englischer Titel: “Sarah plays a Werwolf”). Wyss’ Film ist eine Sonde in das Leben einer siebzehnjährigen Schülerin in einer Schweizer Kleinstadt. In Nahaufnahmen wie auch Distanzaufnahmen erkundet sie die sich gegenseitig potenzierenden Entfremdungs- und Fremdwerdungsprozesse der Theater-Elevin Sarah (Loane Balthasar) – den zunehmenden Abstand zu ihren Eltern und Geschwistern, die Diffusität sexueller Regungen, ihren jugendlichen Solipsismus. Während Sarah nach ihren eigenen Begehren sucht, entfernt sie sich zu fast allem anderen außer ihr. Doch in einigen Bildern scheinen dann auch Auswege auf aus den Verstrickungen und der Unaufhaltsamkeit des Heranwachsens und Sarah scheint grade dort Wege zu finden mit diesen Prozessen umzugehen, wo sie nicht mehr Sarah sein muss. Ein GEGEN-coming-of-age-Film.

Im Anschluss wird es ein Gespräch mit der Regisseurin des Films, Katharina Wyss, geben.


TESNOTA / CLOSENESS

RU 2017, 118’, OmeU, DCP, Regie. Kantemir Balagov, mit: Darya Zhovner, Olga Dragunova, Artem Tsypin, Nazir Zhukov

1998, Naltschik im Nordkaukasus. Die burschikose 24-jährige Ilana hilft in der Autowerkstatt ihres Vaters aus. Sie verweigert die Rolle der guten Tochter, wie sie sich ihre Eltern wünschen. Ihren Status als Außenseiterin untermauert zusätzlich, dass sie einen kabardischen Freund hat, der nicht Teil der jüdischen Community ist, in der sich ihre Familie bewegt. Kurz nach der Hochzeit ihres Bruders wird das junge Brautpaar entführt. Zu dieser Zeit dort kein Einzelfall laut der Aussage des Regisseurs Balakov. Er ist in Naltschik aufgewachsen, hat dann bei Aleksandr Sokurov studiert, der diesen beeindruckenden Debütfilm auch mitproduziert hat. Das Drehbuch basiert auf eigenen Erfahrungen und zusammengetragenen Geschichten aus der Region. TESNOTA (engl. Titel: Closeness) untersucht Gemeinschafts- und Familiendynamiken, legt in seiner physischen Erzählweise Wunden offen, alles immer in wundervollen blau und gelb leuchtenden Bildern. Der stilisierte Realismus des Film, in dem gleich außerhalb des aktuellen Frames immer schon die nächste Thematik wartet, wird kontinuierlich weiter getrieben von der Frage: wieviel sind Menschen bereit sich aufzuopfern, um ihnen nahestehende Personen zu retten?

Sensory Ethnography Lab #3 | Sound Works by Ernst Karel / Caniba (F 2017, Véréna Paravel)

Dear friends of GEGENkino, today’s already the last day of our homage to the Harvard Sensory Ethnography Lab. Big thanks to everyone that same and has been involved so far! To close our homage we have this very special feature today at Luru Kino: at 6pm you’ll get the chance to hear two sound works of Ernst Karel. Sonic cinema! (If you need some context, here’s an interesting interview with Karel at Pitchfork.)

At 8pm, we’ll have a screening of the film CANIBA by Véréna Paravel and Lucien Castaing-Taylor that has been screening at documenta 14 last year as “Commensal“ as some of you might remember. There’ll be a discussion about the filmafter the screening as it’s quite hard to chew on. Read more about it below.

So 08. April 2018
Luru Kino
HOMMAGE: Sensory Ethnography Lab
18 UhrSound Works – Ernst Karel
MORNING AND OTHER TIMES
USA 2014, R: Ernst Karel, Audio, 30’
SWISS MOUNTAIN TRANSPORT SYSTEMS, RADIO EDIT
USA 2011, R: Ernst Karel, Audio, 55’
20 UhrCANIBA (F 2017) OV w/ English subtitles
D: Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor 90’

SOUND WORKS – Ernst Karel

MORNING AND OTHER TIMES

USA 2014, R: Ernst Karel, Audio, 30’

SWISS MOUNTAIN TRANSPORT SYSTEMS, RADIO EDIT

USA 2011, R: Ernst Karel, Audio, 55’

Der filmische Kosmos des SEL zielt mit seinen visuell-sensitiven, Haptik und Körperwahrnehmung betonenden Dokumentarweisen darauf ab, die Möglichkeiten wissenschaftlicher wie ästhetischer Annäherung an kulturelle und ethnographische Phänomene zu erweitern, mitunter neue Sichtweisen auf die uns umgebende Objektwelt zu ermöglichen. Doch auch im Ausschluss dieser sichtbaren Erfahrung gehen die Arbeiten ungewohnte Wege: Auf rein auditiver Ebene erkundet Ernst Karel, Tonspezialist zahlreicher SEL-Filme, in seinen eigenständigen Sound-Experimenten mehrschichtige Klanglandschaften. Das Ergebnis sind gesellschaftsbewusste wie ästhetische Gebilde: Changierend zwischen sachlicher Fixierung des sozialen Charakters der porträtierten Orte und künstlerischer Komposition, die rätselhaft für sich steht. Über einen mehrwöchigen Zeitraum hinweg sammelte Karel für MORNING AND OTHER TIMES klangliche Eindrücke in Chiang Mai, Thailand. Ein Kaleidoskop natürlicher und städtischer, tierischer und menschlicher Geräuschkulissen: Hundebellen, Hahnenkrähen und Grillenzirpen auf der einen Seite, unverständlich bleibende Dialogfetzen, Motorengeratter und hymnenartige Gesänge auf der anderen. Dann, die eigenartige Poesie des mechanischen Rhythmus: In SWISS MOUNTAIN TRANSPORT SYSTEM bildet die schweizerische Alpenlandschaft den Hintergrund, vor dem sich Seilbahn- und Sessellift-Fahrten klanglich mit der vorbeiziehenden, flüchtig erfahrbaren Umwelt verzahnen. Auch hier wieder ein Ineinander von Mensch und Natur, technischer Reproduktion und autonomem Kunstwerk.


CANIBA

F 2017 DOK, R: Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor, 90’, DCP, OmeU

CANIBA hat das GEGENkino-Team gespalten, sowohl mit der Darstellung des Inhalts als auch mit der Art der Ankündigung solch eines Inhalts – deswegen zwei sich ergänzende Texte und eine Diskussion nach dem Screening.

I

Ein Porträt der Nähe und Unnahbarkeit: Die Kamera fokussiert das Gesicht eines Mannes, tastend registriert sie jede Pore seiner verletzlich anmutenden Haut. Dann verliert sie wieder ihren Fokus, gleitet in Unschärfe ab. Der schemenhafte Hintergrund tritt nach vorn, das Gesicht hingegen zerrinnt zur unbestimmbar diffusen Masse – so wie es, wir werden es im lange währenden Interview erfahren, im Inneren dieses Menschen seine Entsprechung findet. Seine dumpfen Gedanken sind dominiert von Körperlichkeit und der Sehnsucht nach dieser. Auf eine Weise allerdings, die ihn von der Gesellschaft ausschließen muss. Issei Sagawa beging in den 1980er-Jahren in Paris einen Mord an einer Kommilitonin, die er anschließend, seinen kannibalistischen Sexualtrieb erstmals in die Tat umsetzend, in Teilen aß. Später wurde er in sein Heimatland Japan überstellt, wo seither sein Bruder mit ihm abseits der Außenwelt ein kärgliches Haus bewohnt. Jun Sagawa, bei dem ebenfalls körperliche Gewalt mit Lustgewinn einhergeht, scheint die einzige Person zu sein, die ihm zuhört und im Alltag unterstützt. Doch wechselt das Geschwisterverhältnis ständig zwischen Fürsorge und Abgestoßensein, zwischen Empathie und Nicht-Begreifen-Können. CANIBA reflektiert diese Diskrepanz: Wie kann man sich überhaupt der Psyche und ihrer Untiefen filmisch nähern?


II

In CANIBA porträtieren Véréna Paravel & Lucien Castaing-Taylor den zeitweise zur Kultfigur avancierten Mörder und Kannibalen Issei Sagawa und seinen Bruder Jun. Während sie sprechen, schleicht über weite Teile des Films die Kamera in extremen Close-Ups und mit wechselnder Schärfe die Gesichter und Körper der beiden entlang. Dabei enthält sich der Film einer moralisierenden Position und eröffnet dadurch einen schwer auszuhaltenden Raum der Ambivalenz, in dem die Brüder ihre misogynen Fantasien und (auto)aggressiven Fetische mitunter zelebrieren können. Das Regie-Duo vollzieht ein sinnlich-immersives Beschreiten der Ränder menschlicher Abgründe und keine Analyse der problematischen Verschränkung von gesellschaftlicher Faszination, Personenkult und medialer Vermarktung. Die Einflechtung von Werken der Pop- und Un-derground-Kultur – ein pornografisches Fragment mit Teilen eines Re-Enactments, ein verstörend-expliziter Comic Sagawas, der Song „La Folie“ der New-Wave-Band The Stranglers – dient hier dem Versuch einer alternativen, betont atmosphärischen Annäherung. Nach etlichen Skandalen, reißerischen Reportagen und makabren Kochshow-Auftritten rund um den „Celebrity Kannibalen“, interessiert sich CANIBA vielmehr für Formen von Begreifen und Grenzen von Bildwerdung. Ein kontroverses Stück Film, dessen Blick nicht didaktische, sondern suggestive Qualitäten hat.


Sensory Ethnography Lab #2 | Foreign Parts / Single Stream / Focus on China

We’ll continue our homage to the Sensory Ethnography Lab
Today at Luru Kino. Thanks to all y’all who came around yesterday and thanks to UT Connewitz and Prof. Dr. Ursula Rao. Today we’ll have Simon Rothöhler of Germany’s unbeatenly best film magazine Cargo as a guest to give a lecture on the SEL and introduce the first two films showing today: FOREIGN PARTS and SINGLE STREAM. Rothöhler also contributed a text to our special SEL booklet which you can find here:  GEGENkino 2018 SEL booklet—or tonight at Luru Kino. Here’s the schedule and further information:

Sa 07. April 2018
Luru Kino
HOMMAGE: Sensory Ethnography Lab
20 UhrForeign Parts + Single Stream
FOREIGN PARTS (USA/F 2010)
R: Véréna Paravel & J.P. Sniadecki 80’
& SINGLE STREAM (USA 2014)
R: Pawel Wojtasik, Toby Kim Lee & Ernst Karel 23’
22 UhrJ.P. Sniadecki | FOCUS ON CHINA
SONGHUA (USA/CHN 2007, DOK, R: J.P. Sniadecki, 28’, DCP, OmeU)
YUMEN (USA/CHN 2013, DOK, R: Xu Ruotao, J.P. Sniadecki, Huang Xiang, 65’, DCP, OmeU
THE YELLOW BANK (USA/CHN 2010, DOK, R: J.P. Sniadecki, 27’, DCP, OmeU, OV w/ English subtitles

Einführung von Jun.-Prof. Dr. Simon Rothöhler

FOREIGN PARTS / SINGLE STREAM

FOREIGN PARTS

USA/F 2010 DOK, R: Vèrèna Paravel & J.P. Sniadecki, 80’, DCP, OmeU

Ein Schrottplatz und Ersatzteil-Umschlagpunkt in Queens, New York City: Mikrokosmos einer vorwiegend migrantisch geprägten, so lebhaften wie prekären Großstadtkultur. Dialogfetzen privaten und geschäftlichen Inhalts, Barbecues, puerto-ricanischer Straßengesang, soziales Elend, Alkoholismus und zwischenmenschliche Solidarität. Vèrèna Paravel und J.P. Sniadecki, die jeweils auf unterschiedliche Weise ein Experimental-fi lm-Meisterwerk im SEL-Rahmen drehen sollten, LEVIATHAN (2012) und YUMEN (2013), gehen in FOREIGN PARTS noch cinéma vérité-artige Wege. Die Kamera ist kaum auf ästhetisch durchgebildete Komposition aus, sondern folgt unmittelbar den lose porträtierten ProtagonistInnen beim Nachgehen alltäglicher Verrichtungen: sei es Betteln, Ersatzteile besorgen oder zwischendurch in der Autowerkstatt tanzen. Das Gewerbegebiet „Willets Point“ ist vom Abriss bedroht und damit die Existenz von rund 250 Shops und über 2000 ArbeiterInnen. Residential Units, ein Convention Center und Ähnliches sollen nach Vorstellung der Stadtverwaltung an dessen Stelle treten. Ein ge-sellschaftspolitisch aufgeladener Film, ohne dass er je einen bestimmten Standpunkt forciert: er zeigt nur auf. 

SINGLE STREAM

USA 2014 DOK, Paweł Wojtasik, Toby Kim Lee & Ernst Karel, 23’, DCP, OmeU

SINGLE STREAM schwankt stärker zwischen der Schilderung eines spezifi schen Arbeitsalltags und davon abstrahierender, formalästhetischer Studie: Eine Mülltrennungs- und Recyclinganlage bietet Anlass für eine Ästhetisierung des Hässlichen. Far-ben, Formen und Materialoberfl ächen ziehen geis-terhaft durch die Cinemascope-Einstellungen, die Geräuschkulisse ist gleichermaßen eindringlich wie beängstigend.


J.P. Sniadecki | FOCUS ON CHINA

SONGHUA

USA/CHN 2007 DOK, R: J.P. Sniadecki, 28’, DCP, OmeU

YUMEN

USA/CHN 2013 DOK R: Xu Ruotao, J.P. Sniadecki, Huang Xiang, 65’, DCP, OmeU

THE YELLOW BANK

USA/CHN 2010 DOK, R: J.P. Sniadecki, 27’, DCP, OmeU

SONGHUA steht mit seinem Fokus auf das Wechselverhältnis von Mensch und Natur – konkret die Bedeutung des Flusses Songhua für die circa vier Millionen Einwohner Harbins – noch am ehesten in der Tradition des ethnographischen Dokumentarfilms. Lose und flüchtig werden Tourismus, Freizeitaktivitäten, Rendezvous und triviale Alltagsverrichtungen, aber auch die starke Verschmutzung des Gewässers registriert. Ein Fluss steht auch bei THE YELLOW BANK im Zentrum. Die statische, auf einer Fähre positionierte Kamera registriert in langsamer Fahrt während eines verregneten Vormittags die imposante Skyline Shanghais. Das Sujet und seine formale Gestaltung sind denkbar einfach. Doch dann passiert etwas Außergewöhnliches: peu à peu verdunkelt ein Naturphänomen das Großstadtszenario, bis es schließlich in völliger Finsternis angelangt. Beherrschte in THE YELLOW BANK die Natur für kurze Zeit völlig das Geschehen, so geht es in YUMEN um ihre Verwertung. Im Nordwesten Chinas liegt die ehemals lebhafte Industriestadt Yumen. Früher ein wichtiger Ölförderspot, heute eine verlassene und ruinöse Geisterstadt. Die eng kadrierten 16mm-Bilder, die selbst ihre angegriffene Materialität und Vergänglichkeit zur Schau stellen, erfassen gleichermaßen das schäbige Innere früherer Fabriken und Repräsentationsbauten, wie einzelne Personen, die sich geisterhaft durch diese bewegen.

Sensory Ethnography Lab #1 | Sweetgrass / Focus on Nepal

Thanks a lot, you dear adherents, for coming to our opening screening at Luru Kino yesterday! It was a pleasure to see so many new as well as familiar faces.
Today we’ll continue at UT Connewitz with our three-day homage to Harvard’s Sensory Ethnography Lab that will encompass 10 films and 2 audio works. To introduce you to the works of the SEL and give some context we’re very happy to have Prof. Dr. Ursula Rao from Leipzig Institue of Anthropology coming for a talk about ethnographic film. 
There’s also a small booklet designed by Sophia Eisenhut including texts by Cargo’s Simon Rothöhler and our homeboy Tilman Schumacher about the SEL and the films and works we’ll present as part of our homage. You can find it right here: https://view.publitas.com/gegenkino/sel-2018
And now here’s the schedule for today:

Fr 06. April 2018
UT Connewitz
HOMMAGE: Sensory Ethnography Lab
20 UhrSWEETGRASS (USA 2009, 35mm!)
R: Ilisa Barabash & Lucien Castaing-Taylor 101’
OV w/ German subtitles
22 UhrSTEPHANIE SPRAY | FOCUS ON NEPAL
Untitled (2010, Dok, R: Stephanie Spray, 14min, OmeU, DCP)
As long as there’s breath (2009, Dok, R: Stephanie Spray, 56min, OmeU, DCP)
Monsoon Reflections (2008, Dok, R: Stephanie Spray, 23min, OmeU, DCP) OV w/ English subtitles

Einführung von Ethnologin Ursula Rao

SWEETGRASS

USA 2009 DOK, 101’, OmdU, 35mm
Regie: Ilisa Barbash & Lucien Castaing-Taylor

Eine experimentelle Annäherung ans „Americana“. Gegen Ende des Films sieht man in einer Kamera-Totalen, die von einem Berg aus ins Tal gerichtet ist, eine Schafherde, wie sie sich langsam eine Steigung hinaufschlängelt, angetrieben von einem Schäferhund und dem dazugehörigen Cowboy. Er ist über die weite Distanz hin nur schemenhaft auszumachen, doch die Tonspur ist uns ganz nah: “Fucking sick of this shit! Move on you fucking whores!”  Das ist der skurril wirkende Höhepunkt der Entzauberung und -mystifizierung des sagenumwobenen Cowboy-Images, der für SWEETGRASS in Gänze stehen kann. Der klassische Cowboy, leidenschaftlich und eins mit der Natur, ist hier, ebenso wie Naturromantik, kaum noch anzutreffen. Zwar sehen wir uns majestätische Landschaften gegenüber, die bergige und mit satten Weideflächen bewachsene Umgebung Montanas, doch steht der harte und vor allem einsame Arbeitsalltag der porträtierten Viehtreiber im Vordergrund. Sie ziehen abhängig vom Zyklus der Jahreszeiten ihre Schafe zum Weiden vom Tal in die Berge, anschließend wieder hinab –  ein monotoner Vorgang und für die Sweetgrass-Region von Montana der letzte seiner Art. Lucien Castaing-Taylor und Ilisa Barbash dokumentieren damit auch ein aussterbendes Handwerk, eine symbolisch besetzte Kulturtechnik Amerikas seit dem 19. Jahrhundert. Bemerkenswert frei von Sentimentalität und doch mit etwas Wehmut.

Die Ethnologin Ursula Rao wird in einer Einführung die Verortung des SEL innerhalb der (visuellen) Ethnographie in wissenschaftsgeschichtlicher und- theoretischer Hinsicht beleuchten


Kurzfilme von Stephanie Spray

FOCUS ON NEPAL

Untitled

2010, Dok, R: Stephanie Spray, 14min, OmeU, DCP)

As long as there‘s breath

2009, Dok, R: Stephanie Spray, 56min, OmeU, DCP

Monsoon Reflections

2008, Dok, R: Stephanie Spray, 23min, OmeU, DCP

Die kontinuierliche, vierzehnminütige Einstellung in UNTITLED, in der ein frischvermähltes Paar miteinander streitet und dann wieder scherzt, nimmt auf kondensierte Weise Stephanie Sprays’ Betrachtunsweise des nepalesischen Familienzusammenhangs auf. Ruhig beobachtend, wenig an Ästhetisierung interessiert, dafür umso mehr am Geschlechterverhältnis. 
„What kind of life is this for God to give me? (…) It seems it’s not okay to walk around crying.“, resümiert das weibliche Oberhaupt der nepalesischen Gayek-Familie, während sie, hochbetagt, in der Hocke einen Stein schleift. Mit einfachen Mitteln registriert MONSOON-REFLECTIONS den gemeinsamen (Arbeits-)Alltag der Familienangehörigen, die nur aus Frauen zu bestehen scheinen. Stoisch und zugleich humorvoll ertragen sie ihr beschwerliches, von körperlicher Arbeit geprägtes Leben.
AS LONG AS THERE’S BREATH handelt in zumeist statischen, lange währenden Einstellungen ebenfalls vom Zusammenhalt der Gayeks. Statt der Arbeit rückt hier mehr die emotionale Bindung der Protagonisten zueinander in den Blick. Fragen der Sexualität, Paarbeziehung und des gesellschaftlich bedingten Ungleichgewichts der Geschlechter kommen ungezwungen zur Sprache. Diesmal sind auch Männer präsent, einer davon aber nur in Gedanken: Kamal, der es im Dorf nicht mehr ausgehalten habe und sich einer maoistischen Jugendorganisation anschloss. Über solche nur aus dem Off vermittelten Nebenschauplätze, scheint über das enge Familiengeflecht hinaus ein Bild der nepalesischen Gegenwart hindurch.

Hagazussa (AT 2017, Lukas Feigelfeld)

The clock’s ticking… GEGENkino 2018’s starting today at 9pm at Luru Kino in der Spinnerei with Lukas Feigelfeld’s massive witch hunt flick Hagazussa – proof that there’s still some great unseen German horror films.

05 April 2018
Luru Kino
OPENING FILM
21 UhrHAGAZUSSA – A HEATHEN’S CURSED
AT 2017, 102’, DCP, Regie: Lukas Feigelfeld
OmeU/OV with English subtitles

HAGAZUSSA – A HEATHEN’S CURSED

AT 2017, 102’, DCP, Regie: Lukas Feigelfeld, Darsteller: Aleksandra Cwen, Claudia Martini, Tanja Petrovsky, OmeU/OV with English subtitles

In der mittelalterlichen Abgeschiedenheit der Alpen muss die junge Albrun miterleben, wie die Mutter als Hexe stigmatisiert und schließlich von der Pest zerfressen wird. Viele Jahre später wohnt sie noch immer abseits der Dorfgemeinschaft, hütet Ziegen, sorgt sich allein um ihr Neugeborenes und meidet die Gesellschaft von Menschen. Nachdem die Möglichkeit auf eine Freundschaft sich aufs Bitterste verkehrt, lässt Albrun den Schatten ihrer Seele freien Lauf. Lukas Feigelfelds Abschlussfilm an der dffb ist als atmosphärischer Horrorfi lm ein originelles Stück Genrekunst, das sich nicht in der Abarbeitung von Standardsituationen erschöpft. Vielmehr wagt HAGAZUSSA einen Schritt hinaus aus dem allzu sicheren Terrain des Gewohnten und er-zählt auf hypnotische Weise von Einsamkeit und Wahn, Aberglauben und Gewalt. Im Gesicht der Ausgestoßenen zeichnen sich Landschaften ab, geprägt durch Entbehrungen und Gräuel. Während die visuellen Arrangements eine opulente Weite eröffnen, kriecht das Cello des doomigen Drone-Soundtracks unerbittlich in die Tiefen des Unterbewusstseins. Ein Film, der einen aufspürt, angeht, aushöhlt.