






DE 2023, R: Khaled Abdulwahed, 64’, arabisch & deutsche OV mit englischen & deutschen UT, DCP
Seit 2015 lebt der in Homs (Syrien) geborene Künstler, Fotograf und Filmemacher Khaled Abdulwahed in Leipzig. BACKGROUND ist der Versuch, Teile der Biografie seines Vaters Sadallah zu rekonstruieren, was allerdings dadurch erschwert wird, dass dieser in Aleppo ausharren muss – trotz zahlreicher Bemühungen, ihn nach Deutschland zu bringen. Teile von Sadallahs Vergangenheit sind eng mit Leipzig, Merseburg und anderen Städten der Region verbunden: Mitte der 1950er Jahre kam er als Austauschstudent in die DDR. Es folgten unter anderem Sprachunterricht, ein Ingenieurstudium und Reisen, etwa in die UdSSR.
Was davon ist geblieben? Welche Erlebnisse haben sich in Sadallahs Gedächtnis eingeschrieben, welche Dokumente befinden sich in seinem Besitz? Hat er Spuren in Fotografien und institutionellen Archiven hinterlassen? Über diese Fragen entspinnt sich – über zwei Generationen und zwei Kontinente hinweg – eine ganz persönliche Archivarbeit. Neben dieser steht in BACKGROUND vor allem das fotografische Bild und der Umgang mit ihm im Zentrum der Erzählung. Und zwar in einem ganz grundlegenden Sinne: welche Informationen können ohne Weiteres abgelesen, welche müssen freigelegt werden? Welche Grenzen und Möglichkeiten eröffnen Bildmanipulationen?
So 8. Sept | Schaubühne Lindenfels |
19:00 Uhr | In Anwesenheit von Khaled Abdulwahed € 7 (6 ermäßigt) |








AT 2024, R: Daniel Hoesl, Julia Niemann, D: Laurence Rupp, Ursina Lardi, Olivia Goschler, 86′, OmeU, DCP
Veni, vidi, vici – ich kam, sah und siegte – der lakonisch-stilsichere Ausspruch des römischen Kaisers Gaius Julius Caesar bringt Hybris und Selbstverständnis des Helden auf den Punkt: Amon Maynard ist ein bestens in die österreichische Politik vernetzter Investor und Milliardär, der für sein neues Megaprojekt nicht nur flugs mal ein Naturschutzgebiet plattmacht, sondern auch seinen Ziehvater und dessen Firma über die Klinge springen lässt. Zusammen mit Frau und Kindern frönt Maynard einem luxuriösen Villenleben voll Selbstoptimierung, Polospielen, und Jagdsport. Wobei er es bei ebendiesem nicht auf Tiere abgesehen hat, sondern unterstützt durch seinen treuen Butler, regelmäßig Menschen niederschießt. Alle Spuren führen zu ihm, und doch sind nur wenige gewillt, dem gutaussehenden Lebemann Widerstand zu leisten. Diejenigen, die es doch tun und „Killer!“ rufen, ein uriger Jagdaufseher und ein depressiver Reporter, werden trotz Gesetzen und journalistischen Beweisen entweder ins Lächerliche gezogen oder vom elitären Zirkel aus Geld, Macht, Intrigen, Korruption und Postenschacherei einfach einverleibt. Eine bitterböse Gesellschaftssatire, der es im durchkapitalisierten Politzirkus Österreichs, mit seinen kurzen Sebastians und Ibiza-Videos, wahrlich nicht an Vorbildern fehlt.
Sa 7. Sept | Schaubühne Lindenfels |
22:00 Uhr | € 7 (6 ermäßigt) |
Thema | OUR SCREENS
MY OWN LANDSCAPES





FR 2020, R: Antoine Chapon, 18’, OmeU, DCP
Gleich einem virtuellem Reenactment setzt sich ein ehemaliger Designer für Militärvideospiele in MY OWN LANDSCAPES nach seiner Rückkehr aus dem Krieg mit den eigenen traumatischen Erfahrungen als Soldat auseinander. Dazu nutzt er als Bewältigungsstrategie das, was ihm dazu verholfen hatte einen Vertrag mit der Armee zu schließen: Videospiele.
SHE FALLS FOR AGES




CA 2017, R: Skawennati, 21’, engl. OV, File
Die Kahnawakeronon-Multimediakünstlerin Skawennati ist die Erschafferin des Machinimas SHE FALLS FOR AGES, das die Schöpfungsgeschichte der Haudenosaunee (Irokes:innen) im Spiel-Setting des Metaversums Second Life erzählt. Dort lernen wir eine junge Mutter mit ihren heranwachsenden Zwillingskindern kennen, welche magische Kräfte besitzen. Vor unseren Augen entfaltet sich die Erzählung um Sky Woman und ihren Fall in eine neue Welt. In der Spiel-Engine treffen altes, indigenes Wissen mit Science-Fiction aufeinander. Eine tiefe Vergangenheit wird mit einer fernen Zukunft in Verbindung gesetzt.
PARALLEL I







DE 2012, R: Harun Farocki, 15’, engl. OV, File
PARALLEL I ist der erste Teil des Essay-Zyklus einer kleinen Historie der Computergrafik. Wir blättern durch das virtuelle Geschichtsbuch Zur Entstehung der ersten Bäume und Wolken und werden nach Farockischer Manier ruhig und analytisch-poetisch auf eine Split Screen-Reise mitgenommen und eingeführt – ins inhärente Regelwerk computeranimierter Welten, wie sie seit den 1980er Jahren existieren.
BACKFLIP





DE 2022, R: Nikita Diakur, 12’, engl. OmU, DCP
Nikita Diakur möchte einen Backflip lernen. Nach schmerzhaften Fehlversuchen trainiert er nun im Virtuellen seinen Avatar beziehungsweise dessen künstliche Intelligenz. Ganz im Erbe der Machinimas zeigt BACKFLIP Liveaufnahmen der unaufhörlichen Trainingsversuche, basierend auf den Methoden maschinellen Lernens aus der Forschungsarbeit „Deep Mimic“. Zwischen dem Begehren nach Kontrolle, Fortschritt und Erfolg steckt sowohl Angst als auch Humor darüber, aus Fehlern zu lernen und mit ihnen leben zu müssen.
In Anwesenheit von Nikita Diakur
HARDLY WORKING






AT 2022, R: Total Refusal, 21’, engl. OmU, DCP
Aneignung, Aufdeckung und Umwidmung eines politischen Apparats. Das pseudo-marxistische Guerillakollektiv Total Refusal arbeitet sich in ihren Medienkunst-Arbeiten an den Mainstream-Videospielen unserer Zeit ab. Sie kreieren neue Blickrichtungen anhand ethnografischer Beobachtungen und kapitalistischer Einordnungen in Videospielen, wie wir auch im Machinima HARDLY WORKING erleben. Dort werden NPCs (non-playable characters / nicht spielbare Figuren) – eine Wäscherin, ein Stallknecht, eine Straßenkehrerin und ein Handwerker – ins Zentrum des Films gerückt und anhand ihres Verhaltens Reflexionen über Arbeit und Sein aufgewirbelt.
THE SUNSET SPECIAL 2







DE 2024, R: Nicolas Gebbe, 19’, engl. OmU, DCP
In der experimentellen Mixed-Digital-Media-Kakophonie THE SUNSET SPECIAL 2 folgen wir hohlen Schablonen von Menschendesigns, die ihr heiles Familienglück auf einer exklusiven Luxuskreuzfahrt suchen. Auf hyperreale Hochglanz-Interieurs folgen Pixelgewitter, während die immergleichen Instagrampostings und Stockfotos durchs Bild glitchen. Der ins Psychedelische abrutschende Videospiel-Fiebertraum wird zu einem Fest der Fehler und Störungen, die den eingefahrenen Normen, Oberflächlichkeiten und Privilegiertheiten entgegenrauschen.
Sa 7. Sept | Schaubühne Lindenfels |
19:00 Uhr | In Anwesenheit von Nikita Diakur € 7 (6 ermäßigt) |
Thema | OUR SCREENS





Videospielwelten im Film
Irgendwo hinter den Bildschirmen liegt ein Land, eine Insel, eine Illusion. Deren Bewohner:innen sind Gamer:innen, Avatare, Überlebende, Bewaffnete. In OUR SCREENS zeigen wir an zwei Tagen eine Zusammenstellung aus einem Kurzfilmprogramm und einem Langfilm, die sich Videospielwelten als Ausgangs- und Angelpunkt vornehmen und sie auseinandernehmen, um neue Kammerspiele für Filmszenarien zu entwerfen. Mit unserer Filmauswahl wollen wir die Stellen ausloten, an denen sich Gameplay und Filmkunst überschneiden, wo sie sich befruchten, zersetzen oder abstoßen.
In einem Kurzfilmprogramm lassen wir sechs Filme aus den Jahren 2012 bis 2024 aufeinandertreffen, die – inspiriert durch die Vielfalt der Videospieltechnologie – ein Spektrum von Medienkunst-Experimenten über Essayfilmen hin zu Machinimas zeigen. Die Genrebezeichnung Machinima ist ein Kofferwort aus machine (engl. „Maschine“) und cinema (engl. „Kino“). Dabei handelt es sich um eine Filmtechnik, bei der Echtzeitaufnahmen in Videospielen zum Inhalt für Filmproduktionen werden. Machinimas haben ihren Ursprung in den 90er Jahren und fungieren bis heute als unerschöpfliche Spielwiese, um die digitalen Welten, in die wir immer weiter vordringen, zu reflektieren und zu erforschen. Der Langfilm KNIT’S ISLAND von 2023 folgt dabei ganz dem Prinzip Machinima. Im ingame-Dokumentarfilm eröffnet sich uns die Langzeitbeobachtung eines Filmemachertrios im Survival-Online-Spiel DayZ. Als Avatare führen sie dort Gespräche mit Gamer:innen und versuchen so zu den Menschen hinter den Spielfiguren durchzudringen.
Filmschaffende bedienen sich am virtuellen Blumenstrauß der Möglichkeiten, die sie in Videospielwelten vorfinden und nehmen dabei neue Rollen ein. Sie drehen Filme während des Gameplays, sind Teil des Gameplays oder machen uns zu Akteur:innen des Gameplays. Sie schöpfen aus den Ressourcen der Spieleindustrie, die ihnen als Found Footage, Werkzeugkiste und Materialgrube vorliegen. In ihren filmischen Neukreationen dekonstruieren sie Open Worlds, upcyclen Storylines, kreieren neue Filmprotagonist:innen. Sie greifen sich Bugs und reiten auf Glitches. Der Egoshooter erscheint als POV-Shot. Avatare werden im virtuellen Puppenspiel neu simuliert und scheinen in dem Moment zu entstehen und wieder zu zerbrechen, in dem die Kamera, die Bildschirmaufnahme läuft und wir den Film sehen. So bauen und testen die Filmemacher:innen digitale Zukunftsmodelle aus aktuellen Wünschen, Fantasien und Ängsten unserer Gesellschaft. Acting out video games. Restaging virtuality.
7.09.24 Schaubühne Lindenfels | |
19:00 Uhr | MY OWN LANDSCAPES FR 2020, R: Antoine Chapon, 18’, OmeU, DCP SHE FALLS FOR AGES CA 2017, R: Skawennati, 21’, engl. OV, File PARALLEL I DE 2012, R: Harun Farocki, 15’, OmeU, File BACKFLIP DE 2022, R: Nikita Diakur, 12’, engl. OmU, DCP In Anwesenheit von Nikita Diakur HARDLY WORKING AT 2022, R: Total Refusal, 21’, engl. OmU, DCP THE SUNSET SPECIAL 2 DE 2024, R: Nicolas Gebbe, 19’, engl. OmU, DCP |
8.09.24 Schaubühne Lindenfels | |
21:00 Uhr | KNIT’S ISLAND FR 2023, R: Guilhem Causse, Ekiem Barbier, Quentin L’Helgoualc’h, 95’, engl. OmU, DCP |
Retrospektive | BAD GIRLS GO TO HEAVEN

















US 1965, R: Doris Wishman, D: Gigi Darlene, Charles E. Mazin, Sam Stewart, 65’, engl. OV, DCP
„I go to New York – I’ll get lost in the crowds there.“ Nachdem Meg Kelton vor ihrer Wohnungstür vom Hausmeister des Apartmentbuildings brutal angegriffen und vergewaltigt wird, gerät ihre bis dato beschauliche kleine Welt aus den Fugen: In Notwehr erschlägt sie den Angreifer kurz darauf und macht sich kurzerhand mit neuer Identität und ohne es ihrem Mann zu sagen von Chicago nach New York auf. Die Straßenschluchten und beschaulichen Impressionen vom Central Park lassen Meg – und uns – kurzzeitig aufatmen, doch auch die Metropole ist voller Männer, die nichts Gutes mit ihr im Schilde führen.
Doris Wishmans BAD GIRLS GO TO HELList mit seinem Entstehungsjahr 1965 ein frühes und noch in engem Bildformat schwarzweißgedrehtes Beispiel des Low-Budget-Exploitationkinos, in dessen Brust wie so oft zwei Herzen schlagen: Zum einen der Wille zur „Ausbeutung“ von Schauwerten, seien sie erotisch oder gewaltinduziert, zum anderen aber eine unmissverständlich vorgetragene Kritik an einer patriarchalen Gesellschaft, in der sich Frauen konstanten Bedrohungen ausgesetzt sehen. Wishman, die hier von ihren frühen, eher unverbindlichen „Nudies“ zum handfesten „Roughie“ hinübergleitet, legt zugleich auch einen (alb-)traumgleichen Autor:innenfilm vor, dessen eigenbrötlerische Inszenierungsweise man lange nicht vergessen dürfte!
Fr 6 Sept | UT Connewitz |
22:00 Uhr | € 7 (6 ermäßigt) |